nd-aktuell.de / 19.09.2012 / Politik / Seite 6

Säge an der Selbstverwaltung

Schwarz-Gelb in Sachsen bringt Studentenräte in Schwierigkeiten

Hendrik Lasch, Dresden
CDU und FDP in Sachsen wollen Studenten ein Kündigungsrecht für die Studentenräte einräumen - und bringen diese womöglich in Existenznot.

Hier wird geholfen, und zwar umfangreich. In Zimmer 16 des Klinkerbaus in der Dresdner Georg-Bähr-Straße 1e gibt es Auskunft zum Bafög, eine Tür weiter werden Studenten der TU zu Studienplänen und Zweitwohnungssteuer beraten. Zudem gibt es Hilfen für ausländische und behinderte Studenten und sogar Rechtsbeistand.

4,60 Euro für den StuRa

Derzeit ist der Andrang wegen der Semesterferien gering. Ab 8. Oktober aber sind die Räume des Studentenrats wieder Anlaufstelle für alle Studenten, die Fragen plagen. Zu dem Zeitpunkt könnte indes im Landtag eine Entscheidung gefallen sein, die das Beratungsangebot der Studentenräte (StuRa) in Sachsen in Frage stellt. Bisher wird das durch Pflichtbeiträge der Studenten ermöglicht. Sie zahlen etwa in Dresden 4,60 Euro pro Semester. Das Geld geht an 22 Fachschaftsräte und den zentralen Studentenrat. Diese Gremien beraten nicht nur; sie sind auch Vermittlungsstelle zwischen den Studenten und der Hochschulleitung.

Die Koalition aus CDU und FDP indes will es Studenten jenseits des 1. Semesters künftig freistellen, ob sie der sogenannten verfassten Studentenschaft angehören wollen. Das sieht ein Änderungsantrag zum Hochschulfreiheitsgesetz vor, das nächste Woche im Landtag beraten wird. Studenten könnten künftig wählen, ob sie der Vertretung angehören wollen, lobt der CDU-Abgeordnete Geert Mackenroth. Das, fügt er hinzu, »stärkt letztlich auch die Legitimation studentischer Gremien«.

Von Stärkung ist beim StuRa in Dresden jedoch nicht die Rede, im Gegenteil: »Jeder Austritt gefährdet unsere Arbeit«, warnt Andreas Spranger, der Geschäftsführer für Hochschulpolitik. Er fürchtet ein eingeschränktes Angebot bei Beratungen und Gebühren für Nichtmitglieder, zudem viel Bürokratie: Bei Mailanfragen müsse zunächst geprüft werden, ob der jeweilige Student noch Mitglied ist. Gravierender sei der Legitimitätsverlust bei Verhandlungen mit Dritten. Spranger verweist auf das Semesterticket. Dazu schließen die Studentenräte Verträge mit den Verkehrsbetrieben. Wenn jedoch laufend Studenten austreten könnten, »macht uns das zu einem unzuverlässigen Partner«, sagt Spranger. Prognosen darüber, wie viele Austritte es geben könnte, gibt es nicht. Eine Pflichtmitgliedschaft besteht nicht in allen Ländern. In Sachsen-Anhalt etwa bekämen die Studentenräte statt dessen aber Geld aus dem Landeshaushalt.

Angriff auf Kritiker

Jenseits praktischer Fragen hat der Streit auch eine politische Dimension. Der grüne Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Gerstenberg etwa sieht in dem Vorstoß einen »Angriff auf die verfasste Studierendenschaft«. Anlass dafür dürfte die bei Kritik leicht pikierte Koalition sehen: Die Studentenräte und deren landesweiter Zusammenschluss KSS organisierten oft massive Proteste gegen die Sparpolitik im Land. GEW-Landesvize Marco Unger glaubt, mit dem Gesetz sollten »unliebsame Kritiker der Regierungspolitik unter dem Deckmantel der Freiheit ruhig gestellt werden«. Zudem, sagt Spranger, handle es sich um »Klientelpolitik« für den CDU-nahen Studentenbund RCDS, der sich in den StuRa nicht ausreichend vertreten sieht.

Noch hoffen die Studenten, den Vorstoß abwenden zu können. Diese Woche gibt es ein Gespräch der KSS mit Hochschulministerin Sabine von Schorlemer. Zu größeren Protesten reicht es aber nicht: Die Koalition nutzt taktisch recht geschickt die Semesterpause.