nd-aktuell.de / 20.09.2012 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Kein Durchbruch bei Demenz-Medikamenten absehbar

Welt-Alzheimer-Tag: Fortschritte in Therapie, Diagnostik und Versorgung von Kranken bleiben auch in diesem Jahr aus

Ulrike Henning
Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages 2012 meldeten sich Forscher und Vertreter von Betroffenen und Angehörigen zu Wort.

Am Freitag findet der Welt-Alzheimer-Tag statt. Aktuell ist weder eine erfolgreiche medikamentöse Therapie in Aussicht noch eine gute Versorgung und Pflege der Betroffenen gesichert. Die Rahmenbedingung für letzteres könnte eine neue »Allianz für Menschen mit Demenz« schaffen, die am Mittwoch von den Ministern Daniel Bahr (Gesundheit) und Kristina Schröder (Familie) gegründet wurde. Nach dem »Leuchtturmprojekt Demenz« und dem noch laufenden Programm »Zukunftswerkstatt Demenz« folgt mit der neuen Allianz eine weitere Kon-struktion, die bis Ende 2013 »konkrete Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern beschließen« soll, wie es vielsagend in der Pressemitteilung heißt.

Trotz jährlich 300 000 Neuerkrankungen in Deutschland sind Ansätze für eine beschleunigte Umsetzung von bekannten Bedürfnissen der Pflegenden und ihrer Angehörigen aber nicht zu erkennen. Auch in diesem Jahr wurden wieder leicht erhöhte neue Schätzungen präsentiert, wonach sich die Zahl der Kranken bis 2050 auf drei Millionen steigern wird. Für das Jahr 2010 wurden jetzt Schätzungen differenziert nach Bundesländern vorgelegt. So lag der Anteil der Kranken bei den über 65-Jährigen zwischen 7,9 Prozent in Brandenburg und 9 Prozent in Rheinland-Pfalz. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung schwankte ihr Anteil zwischen 1,54 Prozent in Berlin und 2,12 Prozent in Sachsen.

Die unklare Situation hat auch damit zu tun, dass die Demenz-Diagnostik noch nicht zuverlässig ist. Zwar hätten die Hausärzte ein neues zertifiziertes Programm zur früheren Diagnostik gut angenommen, wie Hans Gutzmann von der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie erklärte. Dennoch gebe es im »primärärztlichen Bereich« immer noch ein »Erkenntnisdefizit«. Nicht immer erkannt würden die mindestens zehn Prozent sekundärer Demenzen, die zum Beispiel aus Vergiftungen durch Alkohol oder Medikamente resultieren oder andere Krankheiten begleiten können.

Ein Durchbruch in der Forschung zu neuen, die Ursache bekämpfenden Medikamenten ist auch in diesem Jahr nicht zu vermelden. Eher im Gegenteil: Nach Angaben von Isabella Heuser, Professorin an der Berliner Charité und Vorstand der Hirnliga, hätten Pharmaunternehmen wie Novartis und Johnson & Johnson in ihren Entwicklungsabteilungen Personal abgebaut, weil sich vielversprechende medikamentöse Ansätze gegen die Amyloid-Ablagerungen im menschlichen Gehirn nicht finden ließen. So müssen sich die Mediziner zunächst damit beschäftigen, die Verzögerung des Krankheitsverlaufes zu erreichen und dafür jene Patienten zu identifizieren, die von einer möglichen medikamentösen Behandlung profitieren können. Auch diese Verfahren sind noch nicht sicher.

Relativ klar scheint aber, dass die Symptome einer Demenz heute später im Lebensverlauf auftreten als vor 20 Jahren. Ärzte hoffen sogar, mit besserer Prävention bei den Risikofaktoren Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen und Bewegungsmangel die Zeit des Ausbruchs um weitere fünf Jahre nach hinten verschieben zu können. Allein, das Präventionsgesetz der Regierung liegt seit Jahren in der Schublade. Auch das Nebeneinander von Kranken- und Pflegekassen führt laut Hans Gutzmann dazu, dass Demenzkranke noch nicht angemessen nach internationalen Standards behandelt werden.