nd-aktuell.de / 22.09.2012 / Kultur / Seite 29

Blattläuse machen vielen Appetit

GARTENTIERE: Was Marienkäfern, Schweb- wie Florfliegen und auch Vögeln gemein ist

Prof. Dr. Ulrich Sedlag, Zoologe

Blattlausfeinde nennt man sie, obwohl von Feindschaft eigentlich keine Rede sein kann. Aber Blattlausfresser wäre auch nur die halbe Wahrheit.

Bleiben wir zunächst bei den populären Vertretern. Sicher fallen jedem zunächst die allbekannten Marienkäfer ein, die sowohl als Larven wie als Imagines, also eigentliche Käfer, Blattläuse fressen. An zweiter Stelle wäre an Schwebfliegen zu denken, die vor allem als Blütenbesucher auffällig und nur als Larven räuberisch sind. Erstaunlich, wie sie das schaffen, denn sie sind blind und haben keine Beine. Man sieht sie mit gestrecktem Körper umhertasten. Stoßen sie auf eine Blattlaus, wird diese mit hakenförmigen Mundwerkzeugen hochgerissen und ausgesaugt. Manche dieser Larven sind ziemlich bunt, nicht äußerlich, sondern dank Durchsichtigkeit und farbiger Eingeweide, bei denen ein weißer oder auch orangefarbener Fettkörper sich vom dunklen Darm abhebt. Der Vollständigkeit halber sei nicht verschwiegen, dass nur ein Teil der Schwebfliegenarten etwas mit Blattläusen zu tun hat.

An dritter Stelle wären die Florfliegen zu nennen, keine Fliegen sondern durch relativ große grüne Flügel gekennzeichnete Netzflügler, die als nachtaktive Tiere nicht so stark in Erscheinung treten. Sie selbst fressen nur ausnahmsweise Blattläuse, von denen sich die aus langgestielten Eiern schlüpfenden Larven ernähren. Meist unbemerkt bleiben wohl nicht selten, sehr kleine, orangefarbene oder gelbe Larven, die ebenso wie Schwebfliegenlarven bein- und kopflos sind. Es sind Gallmückenlarven, die als Kleinverbraucher bis zur Verpuppung etwa 20 Blattläuse vertilgen.

Bei sich bietender Gelegenheit saugen auch manche Wanzen Blattläuse aus. Gelegentlich ernähren sich ebenso Weichkäfer, Ohrwürmer und Spinnen von Blattläusen. Würde ich mich nicht auf das beschränken, was im eigenen Garten zu beobachten ist, kämen noch gewisse Grabwespen hinzu, die Blattläuse in ihre Nester eintragen. Und fast hätte ich es vergessen: Vögel sind stark an der Dezimierung von Blattläusen beteiligt. Da sie sich andererseits aber auch von Blattlausvertilgern ernähren, wären sie zugleich Blattlausfreunde, woraus man ersieht, wie zweifelhaft der oben gebrauchte landläufige Begriff ist.

Mein aktuelles Beobachtungsbild für die Jahre 2011 und 2012 ergibt übrigens Folgerndes: In diesen beiden Jahren spielten die immer wieder und auch hier zuerst genannten Gegenspieler der Blattläuse in meinem Garten fast gar keine Rolle. An häufig kontrollierten gut entwickelten Kolonien an verschiedenen Wirtspflanzen ließ sich kein einziger ihrer Vertreter sehen. In der Mehrzahl fehlten auch die Parasiten, so dass nicht erkennbar war, warum sie schließlich zusammenbrachen.