nd-aktuell.de / 24.09.2012 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Korallen droht der Hitzetod

Bislang größte Modellstudie: Selbst eine Zunahme der Temperatur um nur zwei Grad Celsius bedroht die Riffe

Harald Neuber
Bis zum Jahr 2030 könnten weltweit bis zu 86 Prozent der Steinkorallen in Riffs schwer bis irreparabel beschädigt werden, wenn die Erwärmung der Atmosphäre auf zwei Grad Celsius begrenzt werden kann. Das geht aus einer Studie hervor, die unlängst vom Fachjournal »Nature Climate Change« veröffentlicht wurde.

Mit viel Mühe haben sich die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls darauf geeinigt, dass man alles tun müsse, damit sich die Erdatmosphäre um nicht mehr als zwei Grad Celsius erwärmt. Dann könnten unkalkulierbare Schäden für Mensch und Natur noch abgewendet werden. Doch wie eine neue Langzeituntersuchung deutscher, kanadischer und australischer Wissenschaftler zeigt, dürfte schon das zu viel sein für einen der artenreichsten Lebensräume der Weltmeere - die Korallenriffe. In Folge der globalen Erwärmung steigen auch die Wassertemperaturen. Damit droht die für Korallen lebenswichtige Symbiose mit Mikroalgen zu zerbrechen. Werden die Algen abgestoßen, bleichen die Korallen aus. Hält das länger an, sterben sie ab. Übrig bleibt der Kalkstock der Korallen, der sich langsam zersetzt, wobei die mit erhöhter CO2-Aufnahme im Wasser verbundene Versauerung der Ozeane noch nachhilft.

Gleich zu Beginn ihres Aufsatzes in dem Klimajournal weisen die an der Studie beteiligten Wissenschaftler auf die wahrscheinlichen Konsequenzen für Mensch und Natur hin. Gut eine Million Spezies leben in den Korallenriffen der Ozeane, weltweit seien mehr als 500 Millionen Menschen von diesen Ökosystemen abhängig. Korallenriffe schützen vor Wellen, bieten Nahrung für die lokale Bevölkerung und bringen Einnahmen aus dem Tourismus.

Für ihre Studie hat das internationale Forscherteam um Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) 19 globale Klimamodelle genutzt. Dabei wurden in den Berechnungen sieben verschiedene Szenarien zur Entwicklung globaler Emissionen und weiterer Risikofaktoren berücksichtigt, erklärte PIK-Forscherin Frieler gegenüber »nd«.

Ein zentrales Problem ist laut der Studie die schlechte Anpassungsfähigkeit von Korallen, die Lebenszyklen von bis zu 100 Jahren haben. Weil die Nesseltiere sich zudem über Klonen vermehren, sind die genetischen Voraussetzungen für evolutionäre Anpassung ungünstig. Selbst wenn sich die Atmosphäre lediglich um 1,5 Grad Celsius erwärmt, könne man nur von der langfristigen Rettung von weniger als 15 Prozent der noch bestehenden Korallenriffs in den Weltmeeren ausgehen, schreiben die Forscher. Sie fügen an, dass diese Kalkulation »von optimistischen Annahmen über die Anpassungsfähigkeit von Korallen an Temperaturunterschiede ausgeht«. Die Analyse lasse wenig Zweifel daran zu, »dass Korallenriffs keine herausragende Rolle in den Ökosystemen der Küsten mehr spielen werden, wenn die Klimaerwärmung zwei Grad Celsius übersteigt«.