nd-aktuell.de / 29.09.2012 / Politik / Seite 1

SPD will mit Steinbrück regieren

Kanzlerkandidat nominiert / Gabriel kündigt Kompromiss bei Rente an

Aert van Riel
Die K-Frage der SPD ist frühzeitig geklärt worden. Nächstes Jahr wird Peer Steinbrück gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel antreten.

Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in der Berliner SPD-Zentrale hat Parteichef Sigmar Gabriel eine Sondersitzung des Vorstands am Montag angekündigt, bei der er Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten vorschlagen werde. »Er ist der Richtige für ein neues soziales Gleichgewicht und für die Bändigung der Finanzmärkte«, so Gabriel. Im Frühjahr 2011 habe er beschlossen, nicht von seinem Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur Gebrauch zu machen. Der ebenfalls gehandelte Frank-Walter Steinmeier hatte Gabriel vor vier Wochen informiert, dass er nicht zur Verfügung stehe. »Es ist eine persönliche Entscheidung gewesen«, sagte der Fraktionschef, der vor drei Jahren als Kanzlerkandidat gescheitert war. Ursprünglich wollten die Sozialdemokraten Anfang nächsten Jahres nach der Niedersachsen-Wahl die K-Frage entscheiden. Doch in der Partei waren Forderungen nach einer schnellen Klärung lauter geworden.

Eine Nominierung Steinbrücks galt auch wegen seines schwierigen Verhältnisses zu den Parteilinken lange als umstritten. Deren Führungsleute Hilde Mattheis und Ernst Dieter Rossmann loben nun allerdings die Vorschläge des Ex-Finanzministers zur Bankenregulierung. Zudem signalisierte Gabriel ein Entgegenkommen im Rentenstreit mit der SPD-Linken. Er will am Montag einen Vorschlag machen, wie die Rentenniveau-Absenkung auf 43 Prozent bis 2030 verhindert werden kann.

Kritik an der Personalentscheidung übte die frühere hessische Landes- und Fraktionschefin Andrea Ypsilanti. Die Kandidatur Steinbrücks sei »die Bestätigung der Agenda 2010«, schrieb die SPD-Landtagsabgeordnete im sozialen Netzwerk Facebook. Auch bei vielen Grünen ist der Agenda-Architekt unbeliebt. In seiner Zeit als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident von 2002 bis 2005 stand Rot-Grün wegen Streitigkeiten um Verkehrs- und Kraftwerksprojekte am Rande des Scheiterns. Trotzdem bleibt die SPD laut Parteichefin Claudia Roth Wunschpartnerin der Grünen.

In Umfragen liegen Steinbrück und die SPD deutlich hinter Angela Merkel und der Union. Eine Große Koalition mit der SPD als Juniorpartnerin schließt Steinbrück offiziell aus. Womöglich spekuliert er auf ein Dreierbündnis. Der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki und Entwicklungsminister Dirk Niebel finden 65-Jährigen sympathisch. Die FDP-Politiker wollen sich eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen offen halten. Rot-Grün-Rot ist mit Steinbrück dagegen unwahrscheinlich. Die »eigenständige Politik der LINKEN« werde bei diesem Kandidaten »besonders sichtbar sein«, sagte Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch.

In Rheinland-Pfalz zeichnete sich am Freitagabend eine weitere SPD-Personalentscheidung ab. Kurt Beck wollte im Schatten des Wirbels in der Bundespartei seinen Rücktritt erklären. Neue Regierungschefin soll Anfang 2013 Sozialministerin Malu Dreyer werden, Innenminister Roger Lewentz an die Spitze der Landes-SPD treten. Beck steht wegen der Nürburgring-Pleite in der Kritik.