nd-aktuell.de / 12.10.2002 / Wirtschaft und Umwelt

Kommunen mit Geldproblemen

Bund und Länder sanieren sich zu Lasten der Gemeinden / Finanzreform überfällig

Mechthild Klett
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) diskutierten dieser Tage Vorschläge zur Reform der Gemeindefinanzen.
Die Haushaltslage der 14000 Städte und Gemeinden hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verschlechtert. Negativ haben sich die Einnahmen und die Ausgaben entwickelt. Gab es in Westdeutschland 1998 bis 2000 im Einnahme- und Ausgabensaldo noch ein Plus von durchschnittlich 2,3Prozent gegenüber 1996, wird dieser Wert in diesem Jahr nach Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) bei minus 4,3 Prozent liegen. In den ostdeutschen Städten fallen die Ausschläge nach oben und unten weniger dramatisch aus, ihre finanzielle Lage ist aber eher noch schlechter. Gesamtdeutsch dürften laut DIW die Haushaltsdefizite der Kommunen ohne die Stadtstaaten 2002 auf mindestens 15 Milliarden Euro steigen.
Über die Gründe dafür war man sich bei der Gewerkschaftstagung schnell einig: Aktuell gibt es weniger Einnahmen auf Grund der rot-grünen Steuerreform. Zuvor seien zudem die Kosten für den Einigungsprozess hauptsächlich durch Aufnahme von Krediten finanziert worden, so dass nun die öffentlichen Haushalte unter starkem Konsolidierungsdruck stünden. Ein weiterer Punkt: »Durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist die Gewerbesteuer noch konjunkturanfälliger geworden, denn nun wird ausschließlich der Gewerbeertrag besteuert«, betonte DIW-Finanzexperte Dieter Vesper. Zudem sei die Steuerbelastung zu ungleichmäßig verteilt: Fünf Prozent der Unternehmen, vor allem Großbetriebe, würden 80 Prozent der Steuern aufbringen. Die Gewerkschaft ver.di fordert deshalb, bisher nicht belastete Unternehmen und Selbstständige stärker einzubeziehen.
Neben der ungleichmäßigen Verteilung der Steuerbelastung spielen nach Auffassung von DIW und ver.di für die zurückgegangenen Gemeindeeinnahmen auch neue Abschreibungsmöglichkeiten der Unternehmen eine große Rolle. Unternehmen könnten so genannte Organschaften bilden, also ein Unternehmen in ein anderes inländisches Unternehmen eingliedern. Gewinne und Verluste dürfen dabei steuermindernd verrechnet werden. Ver.di verlangt, diese Möglichkeiten zu beschränken. Als weiteren Grund für die Defizite in den kommunalen Haushalten benannte Vesper die stagnierenden Zuweisungen der Länder an die Kommunen aus Steuermitteln und aus dem Länderfinanzausgleich. »Hier drängt sich der Schluss auf, dass sich die Länder auf Kosten der Kommunalhaushalte konsolidiert und sich aus ihrer Finanzverantwortung für die Gemeinden zurückgezogen haben«, so der Finanzexperte.
Vesper warnte jedoch davor, die Defizite allein durch Sparen bei den Ausgaben ausgleichen zu wollen. Denn »dies würde die konjunkturelle Entwicklung zusätzlich belasten, das Konsolidierungsziel gefährden und damit die Glaubwürdigkeit der Politik in Frage stellen«. Gleichwohl musste Vesper zugeben, dass es leichter ist, etwa die Investitionsausgaben zu reduzieren, um den Haushalt zu entlasten, als neue Kredite aufzunehmen. Der Neuaufnahme von Krediten seien durch den EU-Stabilitätspakt enge Grenzen gesetzt. Die Entspannung bei den kommunalen Haushalten West Ende der 90er Jahre führt Vesper auf den starken Rückgang von Investitionen sowie auf Personalabbau und die Ausgliederung kommunaler Aufgaben zurück.
Nach Auffassung Vespers wie auch von ver.di ist das wichtigste Ziel einer Gemeindefinanzreform, das Steueraufkommen weniger konjunkturanfällig zu gestalten, um mehr Mittel für Investitionen und die eigentlichen kommunalen Aufgaben freizusetzen. Die derzeit geforderte Erhöhung des kommunalen Anteils an den Umsatzsteuereinnahmen ist für Vesper nur dann sinnvoll, wenn die Gemeinden dafür keinen höheren Anteil beim Finanzausgleich leisten müssten. Eine Alternative dazu wäre die Senkung der Gewerbesteuerumlage, die die Gemeinden an Land und Bund zahlen. Für die ostdeutschen Kommunen ist der erste Vorschlag nach Ansicht des DIW-Experten günstiger, weil die Umsatzsteuereinnahmen regional gleichmäßiger verteilt würden - deren Höhe bemisst sich nach der Bevölkerungszahl und ist nicht wirtschaftsabhängig wie die Gewerbesteuer.
Vesper schlug daher vor, die Gewerbesteuer zu einer Wertschöpfungssteuer auszubauen, indem neben dem Gewerbeertrag auch die Lohnsumme, Zinsen sowie Pachten zur Berechnung herangezogen werden, und den Kreis der Steuerpflichtigen auf alle Produktionsbetriebe auszuweiten. Insgesamt würden damit 22 Milliarden Euro eingenommen und die Gemeinden um 3 Milliarden Euro besser gestellt, schätzte er. Die Gewerbesteuerumlage, die von den Gemeinden an Bund und Land zu zahlen seien, könnte dann entfallen. Diesen Vorschlag lehnt Verdi jedoch ab, weil arbeitsintensive Unternehmen stärker belastet würden und so Arbeitsplätze in Gefahr kämen.
Vesper schlug zudem eine Änderung der Grundsteuer vor, mit deren Hilfe weitere 2Milliarden Euro in die Kassen der Kommunen fließen könnten. Ver.di legt hierbei Wert darauf, die Grundsteuer auf eine wertabhängige Basis zu stellen und nach ökologischen Gesichtspunkten zu differenzieren.


Zahlen und Fakten

Die Steuereinnahmen der Kommunen setzen sich aus folgenden Posten zusammen:

Die Gewerbesteuer , deren Einnahmen laut Grundgesetz grundsätzlich in die Kassen der Kommunen fließt, bestand ursprünglich aus Gewerbeertrags- und Gewerbekapitalsteuer. Die Gewerbekapitalsteuer wurde zum 1.1.1998 abgeschafft. Als Ersatz erhalten die Kommunen seither einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen.

Gewerbeertragssteuern werden auf fünf Prozent des zu besteuernden Gewinns erhoben. Den jeweiligen Hebesatz können Städte und Gemeinden selbst festlegen. Daher werden Unternehmen je nach Standort unterschiedlich belastet.

Die Gewerbekapitalsteuer betrug zwei Promille vom Wert des Gewerbebetriebes. Hierauf konnten noch Freibeträge angerechnet werden. Sie wurde auf Grund von Problemen bei der Wertbestimmung abgeschafft.

Gewerbesteuerumlage: Die Gemeinden führen 30Prozent ihres Gewerbesteueraufkommens in gleichen Teilen an den Bund und das Land ab.

Grundsteuer ist auf Grundbesitz sowie darauf befindliche Gebäude zu entrichten. Unterschieden wird zwischen Betrieben der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) sowie den übrigen Grundbesitzern (Grundsteuer B). Agrarbetriebe zahlen zusätzlich zum Bodenbesitz (6 Promille des Wertes) auch noch für andere am Ertrag beteiligte Produktionsfaktoren, weshalb sie von der Gewerbesteuer befreit sind. Andere Betriebe führen 3,5 Promille des Grundbesitzwertes an den Fiskus ab.

Vom Aufkommen der Zinsabschlagsteuer auf Kapitalerträge erhalten die Gemeinden 12 Prozent.

Seit 1998 erhalten die Kommunen 2,2Prozent vom bundesweiten Aufkommen der Umsatzsteuer.

Zudem erhalten Kommunen Anteile der Lohn- und Einkommensteuer. Die vom Arbeitgeber abgeführten Lohnsteuern werden an das Land abgeführt, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Der Gemeindeanteil am Aufkommen der Einkommensteuer wird für drei Jahre pauschal festgelegt. Die Summe wird durch eine Obergrenze gedeckelt.

Gemäß dem Kommunalen Finanzausgleich führen die Gemeinden Teile ihrer Steuereinnahmen an Bund und Land ab. Im Gegenzug ist das jeweilige Land verantwortlich für die finanzielle Ausstattung seiner Kommunen. Ein Teil dessen, was die Kommunen an das Land abgeben, fließt an finanzschwache Gemeinden zurück.