Wahrheit der Windjacke

Wolf von Lojewski verlässt das »heute-journal« - heute

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.
Da sitzt er nun in seiner grünen Windjacke und entscheidet über das Schicksal der Welt.« In diesem eher geringfügigen Satz steckt der ganze George W. Bush, und in ihm steckt auch der ganze Wolf von Lojewski. Irgendwann nach dem 11. September 2001 fielen diese Worte im »heute-journal«. Der mächtigste Mann der Welt schrumpfte zu einer windjackenen Anmaßung zusammen; es war, als hätte man die Luft aus einer Gummipuppe gelassen - aber der Moderator, der diesen Satz formulierte, zeigte keinerlei Regung; es schien sogar, als habe sich in diesem Moment kältester Ironie eine betont unantastbare Ernsthaftigkeit übers Gesicht gelegt. Es ist ja auch das Bitterste, was der Welt geschehen kann: Eine Windjacke regiert. Von Lojewski verbreitete diese Wahrheit mit dem unerschütterlichen Stoizismus, der aus der tiefenphilosophischen Schule eines Loriot zu kommen schien - ohne dass die Seriosität der Nachrichtensendung litt. Von Lojewski ist am Ende seiner letzten Woche als Frontmann des ZDF-»heute-journals« angekommen. Seit 1992 leitet er die Sendung, nach Korrespondentenjahren in London und den USA. Die beiläufigste Brechung einer Nachricht war sein Metier. Leicht schleppende Stimme und im Satz unkonventionelle Betonungen, mit denen sich der Moderator am scheinbar unpassendsten Ort für Sekunden den Traum vom Erzähler erfüllte - damit schaffte es von Lojewski oft, dass man im Medium des erschöpfenden Sehens doch wenigstens Lust am Zuhören bewahrte. Und immer agierte er so, dass er in der intelligenten Andeutung einer eigenen Meinung dem Zuschauer adressierte: Diese Welt besteht aus sehr vielen Windjacken. Der gebürtige Berliner wird künftig das »Abenteuer Wissen« moderieren, und wenn bereits ein TV-Magazin »Lojewskis Typen« avisiert ist, nicht Lojewskis Menschen oder Leute oder sonstwelche Wesen - dann weiß man, wen dieser 65-Jährige suchen wird: Exzentriker des eigenen Glücks, Eigenwelt-Erfinder, Don Quichotes sicherlich, die immer auch selber die Windmühlen bauen, an denen sie sich abarbeiten können. Typen eben. Passend zu diesem Feinen, diesem distanziert Ironischen des Gewerbes - der wohl weniger der rasende Reporter im Krisengebiet oder der heftig drängende Investigative ist, sondern eher ein Clochard der Ersten Klasse, im Unwegsamen noch ein Bonvivant. Der seinen Beruf wichtig nimmt, ohne in ihm unangenehm wichtig zu tun.
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