Auch Dickhäuter können lächeln

Reiner Zieger zeichnet seit mehr als 40 Jahren Plakate für den Tierpark

  • Meta Werner
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn sich Tiere bewegen, mag Reiner Zieger sie am liebsten. Wenn sie sich kraftvoll strecken, um an einen dicken Ast heranzukommen, laufen oder galoppieren. Denn dann muss er sich so richtig ins Zeug legen. Und gleich mehrere Dinge gleichzeitig tun: Genau die Haltung des Tieres studieren - wie die Beine stehen, wie es den Kopf, den Hals und den Rücken hält. Und dann bewegt Zieger noch schneller den Stift auf seinem Skizzenblock, denn jeden Moment kann wieder Ruhe eintreten. Aber das ist für den Grafiker nicht so interessant. »Lahm rumstehen kann ja jedes Tier«, sagt er lächelnd. Ungewohnte Stellungen, beispielsweise wenn sich ein Tier auf dem Rücken leckt, seien eine Herausforderung. So etwas bringt der Lichtenberger dann auf Papier. Der schlanke Mann mit dem lichten, grauen Haar und dem freundlichen Blick zeichnet seit mehr als 40 Jahren Tierporträts. Erst aus dem Tierpark, inzwischen auch aus dem Zoo. Vor allem die Großen haben es dem Künstler, der einst wissenschaftliche Grafik studierte, angetan. Zieger hat sie alle stundenlang beobachtet, immer wieder skizziert und dann originalgetreu mit Farbe in Szene gesetzt: Raubtiere, Zebras, Hirsche, Löwen, Seeadler, Elefanten, Gorillas... Nicht selten füllt er mehrere Skizzenblöcke, bevor er mit der Zeichnung für ein Plakat beginnt. Sein neustes zeigt die asiatische Elefantenkuh Kewa mit ihrem Kalb Temi. Jede Runzel, jede Falte sind auf den Rüsseln zu erkennen. Und es scheint, als ob der kleine Dickhäuter lächelt. »Das ist wirklich so, ich habe ihm lange genug zugesehen«, erklärt der Künstler. Im Nachhinein ist er heute sogar dem langjährigen Tierparkdirektor Heinrich Dathe dankbar, weil dieser ihn zum genauen Hinschauen animierte. Reiner Zieger erinnert sich an Termine beim Professor, bei dem dieser pingelig genau Größe und Stellung der Ohren an einer Tierzeichnung nachgemessen hat. »Manchmal war ich sauer, wenn ich nachbessern musste«, gesteht der Künstler. Doch Dathe hatte Recht, sagt er heute. »Die Naturform ist nicht zu verbessern.« Deshalb bemüht sich Zieger originalgetreu zu zeichnen. Ohne eine Kollegenschelte betreiben zu wollen, findet er mitunter Tierporträts von anderen Künstlern »schlimm und verfälscht«. Viele würden von Fotos abmalen, sagt er. Deshalb blicken manchmal Ziegen wie Löwen, sind Beine zu kurz geraten oder Bewegungen dargestellt, die es in Wirklichkeit nicht gebe. Wie viele Plakate der Künstler im Laufe der Jahre entworfen hat, kann er nicht genau sagen. So um die 30 werden es wohl gewesen sein, schätzt er. Das ist aber lange nicht alles. Von Zieger hängen etliche Tafeln mit Zeichnungen und Texten vor mehreren Gehegen im Berliner Tierpark und im Zoo. Außerdem arbeitete er an Bildbänden, gab unter anderem zu DDR-Zeiten einen »Zooführer« heraus, gestaltete Briefmarken mit Tier-Porträts, malt heute noch Öl-Bilder und Aquarelle und schnitzt mitunter. Seine »Zeichenliebe« entdeckte er als Kind. Schon damals malte der Sohn eines Grafikers am liebsten Tiere. Nach seinem Studium arbeitete Zieger mehrere Jahre als wissenschaftlicher Grafiker im Berliner Tierpark. Er fertigte vor allem »Bewegungs-Zeichnungen« für einen Verhaltensforscher. »Dass Pferde beispielsweise im Laufen äppeln, aber nur im Stehen pinkeln, habe ich auf diese Weise erfahren«, erinnert sich Reiner Zieger schmunzelnd. Wenn der Künstler mal viel Zeit hat, will er seine Skizzen, die während mehrerer Afrika-Safaris entstanden, zu Gemälden machen. Vielleicht erfüllt er sich auch einen Traum und beobachtet eines Tages Wale. »Aber dafür müsste ich erst noch Tauchen lernen«, gesteht Reiner Zieger. Lebende Tiere hat der Lichtenberger nicht mehr zu Hause, seine beiden Hunde sind gestorben. Auch die hat er irgendwann einmal gezeichnet. Nicht als Plakat, dafür waren sie eine Nummer zu klein.
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