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Also kollektive Selbstjustiz?

  • Lesedauer: 3 Min.

Multinationale Selbstjustiz trifft es besser. Wenn man ausdrücken will, daß mehrere Staaten gegen Saddam antreten, dann kann man maximal von einer multinationalen Koalition sprechen. Zumal den Ausführungen von NATO-Politikern zu entnehmen ist, daß sie bestrebt sind, so zu tun, als ob im Auftrage der internationalen Völkergemeinschaft eine Friedenstat vollbracht werde. Kein Vergleich mit der dubiosen Korea-Entscheidung Anfang der fünfziger Jahre?

Gerade die Korea-Frage erinnert daran, daß nicht zufällig in dieser UN-Resolution zum Thema Kuweit nichts über weitere, gegebenenfalls militärischen Aktionen gesagt ist.

Und es ist nicht zufällig, daß der Sicherheitsrat von den USA nie vor die Frage gestellt wurde: Krieg ja oder nein. Es ist eine reine Entscheidung der USA und ihrer Verbündeten. Wahrscheinlich spielte bei dieser Handlung der USA eine Rolle, daß sie als UNO-Truppe dem Sicherheitsrat unterstellt wären. Und da könnte auch das Veto-Recht angewandt werden. Es gibt die Erklärung aus Washington, daß sie keine Entscheidung des Sicherheitsrates, die militärischen Operationen einzustellen, anerkennen würden. Oder das sie auf ein derartiges Veto mit einem eigenen antworten. Das zeigt schon, es gibt einen Unterschied zwischen den Zielsetzungen, die sich der Großteil der Staaten – auch in der UNO – gestellt haben und dem, was aus Washington und anderen Hauptstädten zu hören ist.

Es geht doch nicht nur um Öl?

Nein, auch um neue Einflußsphären im Nord-Süd-Konflikt. Man will eine Demonstration von imperialen Kräften geben. Neben den USA gibt es noch zwei Großmächte

China hat sich bei den Abstimmungen im Sicherheitsrat nicht

eindeutig auf die von den USA gewollte Linie begeben. Es steht dafür, daß man rasch die Probleme mit friedlichen Mitteln löst. Die UdSSR stimmte einem Krieg zu, gab Hussein die Alleinschuld. Um innenpolitisch freie Hand zu haben?

Der Gedanke liegt nahe. Ich meine aber, selbst wenn dieser Faktor eine Rolle spielt, daß er nicht die Hauptursache für die Haltung der Sowjetunion ist. Das Ziel der UdSSR besteht wohl darin, auf jeden Fall die Entwicklung zu einem Weltbrand zu verhindern. Das Land bemüht sich um eine vernünftige Lösung und versucht alles, damit das kleine Pflänzchen, was nun mal entstanden ist in den Beziehungen zwischen USA und UdSSR, behütet wird. Nun weiden auch Angriffe vom Territorium der Türkei geflogen. Gilt in diesem Fall die NATO-Bündnispflicht, falls der Irak quasi zurückschießt?

Das Wörtchen „zurückschießt“ drückt die Lage schon klar aus. In dem Moment, in dem das Territorium der Türkei benutzt wird, um Angriffe gegen den Irak zu führen,

kann man nicht sagen, daß der NATO-Staat Türkei angegriffen worden sei. Damit fällt jede Rechtfertigung für den Einsatz von deutschen Militärangehörigen weg. Mir scheint, daß man sich das in Bonn sehr genau überlegen würde, weil man damit sich selbst entlarven und die Richtigkeit der vielen Warnungen bejahen würde, die von der PDS, der SPD, den Friedensbewegungen immer wieder ausgesprochen wurden. Kein deutscher Soldat darf in den Konflikt im Nahen Osten eingreifen. Gysi sagt, als neutrales Deutschland hätten wir eine Vermittlerrolle spielen können. Teilen Sie diese Meinung?

Ja, allein schon wegen der ökonomischen und politischen Stellung in Europa.

Wagen Sie eine Prognose? Wie lange wird noch Krieg sein? Schwer zu sagen. Dauert er noch lange, dann könnte es zwangsläufig zu einer Solidarisierung der arabischen Welt kommen. Denkbar, daß man den Irak so lange zermürben will, bis ein Putsch gegen Hussein kommt. Militärisch hat der Irak ohnehin keine Chance.

Gespräch: RENÜ HEILIG

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