nd-aktuell.de / 19.01.1991 / / Seite 13

Verstärkte Abgrenzung

1923 war in Hamburg die „Geschichte der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki)“ von Sinowjew, dem damaligen Vorsitzenden der KI, erschienen. Er betonte in seiner Schrift, daß die ideale bolschewistische Partei monolithisch sein und aus ihr periodisch die „schwankenden“ und „unzuverlässigen Elemente“ entfernt werden müßten. Die Armee der Berufsrevolutionäre hätte die innerparteilichen Diskussionen auf jenes Mindestmaß zu beschränken, das zur Verwirklichung einer erfolgreichen revolutionären Politik unumgänglich sei. In den auf dem V. KI-Kongreß (Juni/Juli 1924) dann angenommenen „Thesen über

die Taktik“ wurde in diesem Sinne auch davon ausgegangen, daß es allein von der Festigkeit der kommunistischen Bewegung abhinge, ob der kapitalistischen Ordnung der Todesstoß versetzt werden, die „Weltrevolution“ siegen könne. Darunter wurde auch eine verstärkte Abgrenzung von der Sozialdemokratie verstanden. Diese Intention wiederum muß ebenso in Zusammenhang mit dem damals besonders virulanten Antikommunismus vieler – nicht aller – sozialdemokratischer Spitzenpolitiker gesehen werden. Erinnert sei hier nur an die rüde Attacke von Otto Wels, der auf dem Gründungskongreß der SAI 1923 in Hamburg dazu aufgerufen hatte, die „Schlammwelle der kommunistischen Bewegung“ einzudämmen. Die sich verschärfenden Spannungen zwischen beiden Arbeiterparteien sollten schließlich die Durchsetzung der „Sozialfaschismus“-These und die selbstmörderische Politik des Ultrasektierertums in der Komintern 1928 bis 1934 mit begünstigen.

Unsere Disziplin muß jetzt noch straffer sein, als sie zu Lenins Lebzeiten war“, hatte Sinowjew auf dem V. KI-Kongreß erklärt: „Wir müssen kämpfen für eine einheitliche kommunistische Partei ohne Fraktionen und ohne Gruppierungen.“ Das hieß im Klartext Ausgrenzung Andersdenkender, Ablehnung von Alternativkonzeptionen zum verallgemeinerten russi^ sehen Revolutionskonzept und Parteimodell.

Die unter der fälschlichen Annahme einer weltweiten revolutionären Krisensituation gestartete „Bolschewisierung“ der einzelnen Sektionen der KI ging einher mit einer wilden Polemik gegen den „Trotzkismus“ und den „Luxemburgismus“. Bekanntlich hatte Rosa Luxemburg schon 1904/05 vor der Illusion gewarnt, abweichenden Meinungen durch statuarische Bestimmungen einen Riegel vorschieben zu können. Vielmehr meinte sie, daß sogar opportunisti-

sche Tendenzen innerhalb der revolutionären Bewegung als positives Beiprodukt verstanden werden sollten. Zur gleichen Zeit warnte der junge Trotzki vor den Folgen einer monolithisch strukturierten Partei für die Arbeiterbewegung: „Zuerst tritt die Parteiorganisation (das Wahlkomitee) an die Stelle der ganzen Partei; dann nimmt das Zentralkomitee die Stelle der Organisation ein, und schließlich ersetzt ein einziger 'Diktator' das Zentralkomitee.“ Die Forderung nach Demokratisierung der Partei und der sowjetischen Gesellschaft, die Trotzki 1923/24 aufstellte, rief einen Sturm der Entrüstung bei der Troika Stalin-Sinowjew-Kamenew hervor. In den Auseinandersetzungen in der KPD um Luxemburgs Vermächtnis tat sich damals besonders unrühmlich Ruth Fischer hervor. „Wer den Brandlerschen 'Zentralismus' mit Berufung auf Rosa Luxemburg heilen will, der will einen Tripperkranken durch Einflößen von Syphilisbazillen gesund machen,“, ließ sie verlautbaren.