nd-aktuell.de / 01.02.1991 / Politik / Seite 8

Blüm will uns Freiberufler mit Almosen abspeisen

„Selbständige erhalten jetzt Arbeitslosenhilfe“ – unter dieser Überschrift veröffentlichte ND eine Notiz, der eine leider irreführende Pressemeldung der Zentralen Arbeitsverwaltung im Auftrage des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zugrunde liegt.

Ich bin ehrenamtlicher Vorsitzender von „Transword eG – Genossenschaft unabhängiger Dolmetscher und Übersetzer“. Wir haben uns Anfang 1990 ohne jegliche staatliche oder sonstige Unterstützung als erste derartige Genossenschaft in den neuen Bundesländern und wohl auch in Deutschland überhaupt gegründet.

Unsere Genossenschaft vereint ausschließlich hochqualifizierte freiberufliche Dolmetscher und Übersetzer, die jetzt mitunter über ein Jahr schuldlos ohne Arbeit sind und überhaupt keine staatliche Unterstützung erhalten. Namens meiner Mitglieder und allen freiberuflichen Kollegen protestiere ich nachdrücklich gegen die beabsichtigte Herabstufung der freiberuflichen Dolmetscher und Übersetzer als Arbeitslosenhilfeempfänger, die aber vorab noch „Bedürftigkeit“ nachzuweisen haben!

Denn laut Ordnung des Dr. N. Blüm müssen Arbeitslosenhilfeempfänger „bedürftig“ sein. Zitat: „Im Rahmen der Bedürftigkeit ist Einkommen und Vermögen des Arbeitslosen sowie seiner nächsten Angehörigen zu berücksichtigen.“

Arbeitslosengeld erhält zudem nur derjenige, der eine weisungsge-

bundene Arbeit verrichtete, wo ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag und der Betroffene Arbeitnehmer war.

In der ehemaligen DDR unterlagen aber alle freiberuflichen Dolmetscher und Übersetzer dem Gesetzblatt Sonderdruck 1031 vom 15. 2.1980. Danach mußten ihre Hauptauftraggeber Intertext und Interpret sein. Wir verrichteten eine weisungsgebundene Arbeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und waren im Endeffekt Arbeitnehmer. Allerdings bekamen wir keinen bezahlten Jahresurlaub und mußten Höchstsätze für Steuern sowie doppelte Versicherungsbeiträge (Arbeitnehmer und Betriebsanteile) entrichten.

Jetzt sollen wir auf das uns zustehende Recht auf Arbeitslosengeld verzichten. Man möchte uns mit dem Almosen Arbeitslosenhilfe abspeisen, weichmachen und dann sicherlich „abwickeln“.

Wir fordern dagegen unsere uneingeschränkte Anerkennung als Arbeitnehmer und rückwirkendes Arbeitslosengeld (seit der Erstregistrierung beim Arbeitsamt). Wir rufen alle Freiberufler auf, die Arbeitsämter mit einer Flut von Anträgen auf Arbeitslosengeld (nichts anderes!) zu überschwemmen und bei Ablehnung die Widerspruchsstellen der Arbeitsämter und danach die Sozialgerichte anzurufen.

Charles Dukes, Vorsitzender Transword eG