Herzklopfen kostendeckend: Deutschland sucht den Superstar?

Wie eine gute Idee mit Träumen spielt und ihre Erfinder steinreich macht

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: ca. 6.0 Min.
Viele viele Jahre ist es her, da hatte Heinz Quermann eine geniale Idee. Junge Talente wurden republikweit gesucht (gecastet würde das heute heißen), und sie bekamen eine Chance, in Kulturpalästen und dann im Fernsehen aufzutreten. »Herzklopfen kostenlos« hieß diese Sendung, und so mancher DDR-Schlagerstar verdiente sich dort seine ersten Meriten und Märker. Wer spricht heute noch von Quermann? »Deutschland sucht den Superstar« heisst der neue Hype. Diesem Phänomen sahen am vorletzten Samstag 10,3 Millionen Zuschauer zu. Diese »Casting-Show« ist damit eine der erfolgreichsten Produktionen bei dem zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Fernsehsender. Es ist erst wenige Wochen her, da dümpelte die RTL-Show «Deutschland sucht den Superstar» bei einer Zuschauerzahl von rund vier Millionen am Vorabend. Jetzt spricht der Sender schon selbstbewusst von «DSDS» und setzt damit voraus, dass jeder mit diesem Kürzel etwas anzufangen weiß. So wie GZSZ. Was ist in der kurzen Zeit passiert? Aus der Massen-Castingshow mit Laiendarstellern ist eine Selektion von wenigen begabten Talenten geworden, die Millionen junger Menschen vor die Bildschirme lockt, samt Eltern und Großeltern. »Deutschland sucht den Superstar« ist in aller Munde und längst für die Veranstalter zu einer wahren Goldgrube geworden. Auf der Internetseite herrscht im Chatforum reger Informations- und Meinungsaustausch (oder das was die jungen Leute dafür halten). Sekündlich treffen neue E-Mails ein von Fans, die sich mit der Gemütslage der noch verbliebenen fünf Kandidaten Daniel, Juliette, Gracia, Vanessa und Alexander befassen. »Daniel Küblböck würde besser in eine Comedyshow passen als in diese Sendung«, kritisiert ein Schreiber. »Juliette war grottenschlecht«, befindet ein anderer. »Lexi« meint, dass Juliette, Gracia und Alex es verdient hätten, unter die letzten drei zu kommen. »DaDa« gesteht, am Samstag bei der Zuschauerentscheidung 35 Mal Daniels Nummer gewählt zu haben. Vor allem der 17-jährige Daniel Küblböck aus dem niederbayerischen Eggenfelden polarisiert die Fans. Er hat die schlechteste Stimme, aber das größte Showtalent - aber das weiß er. »Deutschland sucht den Superstar« wird ganz offenbar zum neuen Erfolgsmodell und könnte sich als Lokomotive für den flauen Werbemarkt entpuppen. Die werbetreibende Industrie schaltet bis zu 64 000 Euro teure Spots - etwa dieselbe Summe wie bei Günther Jauchs Show «Wer wird Millionär?». Aber nicht nur das: Der Sender ist am Verkauf des neuen Printmagazins «Deutschland sucht den Superstar» und der CD «We habe a dream» mit den letzten zehn Kandidaten und Dieter Bohlen beteiligt. Sie hat sich bereits mehr als 500 000 Mal verkauft. Und der englische Musikmanager Simon Fuller, der Erfinder der internationalen Vorlage »Idols« - so hieß die Show in Großbritannien und »american Idols« in den USA -, hat mit dieser einen Idee bereits über 200 Millionen Euro verdient. RTL II hat es mit der TV-Reihe »Popstars« geschafft, die »No Angels« und »Bro'Sis« hervorzubringen, bei den »Teenstars« blieb der Erfolg aus. Und die Jauch- Show »Wer wird Millionär« ist auch aus dem Fernsehalltag nicht mehr wegzubekommen. Im gegenteil, Kopien schießen auf allen Sendern wie Pilze aus dem Boden. Dabei ist auch diese Show zwischen den Ländern austauschbar. In Amerika sieht das Studio genau so aus, wie in Deutschland, nur der Moderator ist doppelt so alt wie Jauch. Jetzt also der Superstar. Da fuktioniert scheinbar alles.Auch die so genannte »Cross Promotion« zwischen den Medien. Obwohl, oder vielleich auch gerade, weil sie mittlerweile unerträgliche Dimensionen erreicht hat. Wegen unerlaubter Schleichwerbung in der Sendung ermittelt mittlerweile schon die niedersächsische Landesmedienanstalt gegen RTL, berichtete die »Westfalenpost«. Der Moderator der Sendung habe die Zuschauer aufgefordert, die »Bild am Sonntag« zu kaufen, weil sich dort die »Superstar«-Kandidaten präsentierten. Eine RTL-Sprecherin sagte, dass »so etwas bei einer Livesendung passieren kann.« Die »Bild«-Zeitung lässt die Nation täglich am »Privatleben« der »Superstars« teilhaben: Sie war beim Kollaps von Daniel Lopes dabei, ergründete seine erste Ehe und die Affäre mit Kandidatin Juliette oder machte - wie vorigen Montag - mit »Hass-Briefen« und Morddrohungen gegen Daniel Küblböck auf. Ex-»Superstar«-Kandidat Daniel Lopes will gar nach einem Bericht der »Bild am Sonntag« von diesem Wochenende, der die ganze Seite eins füllte, rechtlich gegen den Fernsehsender RTL vorgehen. »Bei seinem Rausschmiss ging es nicht mit rechten Dingen zu», sagte sein Manager Gerd Graf Bernadotte der Zeitung. Deshalb seien Anwälte beauftragt worden, gegen den Rauswurf zu klagen. Der Manager will dem Zeitungsbericht zufolge die Protokolle der Telefonabstimmung offen legen lassen. Damit wolle er beweisen, dass bei der Sendung geschummelt worden sei. Der Produktionsfirma und dem Sender drohte er mit einer Schadenersatzklage in Millionenhöhe. RTL sieht einem solchen Verfahren mit Gelassenheit entgegen. »Die Telefonabstimmung für die Bewertung der Kandidaten wird notariell überwacht», sagte RTL-Sprecher Christoph Körfer der dpa. Ein Anwalt überwache das gesamte Verfahren und alle Abläufe von der Eröffnung des Votings bis zum Schließen der Telefonleitungen. »Nach dem Finale wird man alle Ergebnisse einsehen können«, sicherte der Sprecher zu. Zugleich betonte er, dass der Sender sich alle Schritte wegen Rufschädigung vorbehalte. Der RTL-Sprecher wurde dann noch mit den Worten zitiert: »Lopes scheint ein schlechter Verlierer zu sein.« Der 26-jährige war vor drei Wochen aus dem beliebten Sängerwettbewerb ausgeschieden. Jetzt soll er irgendwo in Amerika untergetaucht sein. Und die Nation fragt sich nur eins: Warum war Daniel L. am Sonnabend nicht bei »Wetten dass« dabei? Das sind die Fragen, die bewegen, da tritt doch ein drohender Krieg glatt in den Hintergrund. Dabei hat er wirklich passabel gesungen. Und hat Dieter Bohlen zu der Aussage gebracht: » Wenn Daniel bei "Super-Dome" auf der Bühne steht, fliegen ihm die Slips nur so zu. Mir mittlerweile nur noch Rheumadecken«. Ganz so schlimm dürfte es für Bohlen aber doch nicht sein. Er hat, als Jury-Mitglied Publicity noch und nöcher, Und als Autor von »We have a Dram«, der Superstar-Hymne, nach langer Zeit mal wieder eine Hit gelandet. Bis zum Finale Anfang März leben die jetzt noch übrigen fünf von ursprünglich zehn Kandidaten gemeinsam in einer Kölner Villa. Am nächsten Sonnabend wird wieder einer oder eine vom Publikum abgewählt. Wieder werden zehn Millionen oder mehr vor dem Fernseher sitzen. Sich der schönen Illusion hingeben, das sie sich ihren Superstar wählen können. Eigene Sehnsüchte projizieren, oder die Hoffnung hegen, das da ihr Sohn oder ihre Enkelin stehen könnten, wenn sie nur ein wenig Talent und ein Quentchen Glück hätten. Schließlich haben sich die Kandidaten doch aus einem Heere von 10000 Bewerbern durchgesetzt. Wer denkt da noch daran, das dieses ein Unterhaltungsformat ist, schon in dutzenden Ländern gelaufen,ein Rahmenprogramm für Produktwerbung. Der Wettbewerb, den die «Süddeutsche Zeitung» vor einigen Wochen noch «Deutschland sucht das Suppenhuhn» nannte, scheint in neue Dimensionen vorzustoßen. RTL hält die Zuschauerzahl vom vorvergangenen Samstag für »steigerbar«. So könnten die stimmgewaltigen Kandidaten und die Jury um BMG-Chef Thomas Stein und Dieter Bohlen glatt dem »Grand Prix d'Eurovision de la Chanson«, der jetzt auch in seine entscheidende Phase rückt, den Rang ablaufen. Denn der gute, alte, von der ARD ausgestrahlte Schlager-Grand-Prix zählte bei seinem Deutschland-Finale vor einem knappen Jahr lediglich neun Millionen Zuschauer. Die schlechte Nachricht zuletzt: Die unsägliche Reality-Show «Big Brother» soll dem Fernsehpublikum in Deutschland in einer neuen Staffel übergeholfen werden. «Big Brother» soll bereits vom 31. März an auf den Fernsehschirm zurückkehren. Diese »Dokumentation« über das Leben von zehn Menschen in einem Wohncontainer wird entweder auf RTL 2 oder Viva ausgestrahlt. Auf RTL 2 liefen auch die ersten drei Staffeln von «Big Brother», die aber durch eine Flut ähnlicher Programme auf immer weniger Publikumsinteresse stießen. Borris Brandt, Geschäftsführer der Produktionsfirma Endemol, sieht inzwischen das Interesse von Zuschauern und Werbeindustrie wieder gewachsen. »Wir haben die vergangenen zwei Jahre genutzt, an dem Konzept zu arbeiten. In der neuen Staffel wird es keine Bilder von gelangweilten Menschen geben, die auf gelben Sofas sitzen und rauchen«, sagte er. Die...

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