Langsame Liberalisierung

Marktöffnung bringt Deutschlands Haushalten wenig

Privatkunden werden von der Liberalisierung auf dem deutschen Gasmarkt kaum profitieren. Anders als auf dem Strommarkt dürften die Verbraucherpreise kaum spürbar sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney, die unlängst in Berlin vorgestellt wurde.

Unternehmen, die am deutschen Gasmarkt unter liberalisierten Bedingungen erfolgreich sein wollen, sollten jetzt in die strategische Offensive gehen und über Beteiligungen oder Kooperationen wachsen. Dies rät die Unternehmensberatung A.T. Kearney. Direktlieferungen ausländischer Unternehmen sowie steigender Druck auf die Netznutzungsentgelte bedrohten mittelfristig die Existenz vieler Verteiler- und Transportunternehmen. Berthold Hannes, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter der zentraleuropäischen Beratergruppe Energiewirtschaft, bezeichnete den deutschen Gasmarkt als ungebrochen attraktiv. Er sei dem Umsatz nach - mit 31 Milliarden Euro (2001) - der größte Gasmarkt Europas und werde künftig mit Jahresraten bis zu 3,5Prozent weiter wachsen. Während der Anteil der Haushalte am Erdgasbedarf bis 2015 von heute 33Prozent auf 29Prozent fallen werde, dürfte der Anteil von Industrie/Gewerbe (von 54Prozent auf 57Prozent) sowie Kraftwerken (von 13Prozent auf 14Prozent) steigen. Anders als in Großbritannien habe in Deutschland trotz Liberalisierung bislang kein Gaspreisverfall eingesetzt. Dennoch seien die Chancen für ausländische Unternehmen sehr gering, so Hannes. Deutschlands Gasmarkt sei dezentral zerstückelt und dadurch für Newcomer praktisch abgeschottet. Neue Anbieter müssten sich durch unzählige Netzbesitzer bis zum Endkunden quälen oder sich ein ganzes Beteiligungsportfolio zusammenkaufen, um direkt Kunden beliefern zu können. Die Marktstruktur lasse den etablierten Unternehmen im Unterschied zum Strombereich mehr Zeit, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Allerdings werde der Wettbewerb früher oder später in Gang kommen, da der Druck auf die deutsche Gaswirtschaft wachse, so Hannes. Großkunden erwarten, bei der Liberalisierung von sinkenden Preisen zu profitieren. Außerdem seien regulatorische Maßnahmen durch eine erweiterte Abteilung im Bundeskartellamt oder durch eine eigene Regulierungsbehörde wahrscheinlich. Außerdem werde sich durch die Konsolidierung in der Endverteilerstufe und durch die Ausschaltung des Zwischenhandels die Wettbewerber-Landschaft ändern. Starke Unternehmen würden mittelfristig auf den Gasmarkt drängen und damit die Energieimporte steigern. Durch Flüssiggas-Transporte mit Tankern, die Schaffung von Spotmärkten und die Entkopplung des Gaspreises vom Ölpreis würde sich außerdem die Liquidität des Marktes spürbar erhöhen. Für das Jahr 2007 zeigt die Marktstudie zwei Möglichkeiten auf. Nach dem konservativen Szenario, das Hannes als wahrscheinlicher bezeichnete, bleiben Privatkunden die Verlierer der Gasmarktöffnung. Bei Industriekunden liege die Wechselrate maximal bei 20Prozent, der Preisverfall bei 10 bis 20Prozent. Die Liquidität des Marktes bleibe, bedingt durch stagnierende Handelsvolumina, gering. Der Netzzugang basiere weiter auf einer Verbändevereinbarung, der Druck auf die Netznutzungsentgelte bleibe indirekt. Dagegen führt das aggressive Marktszenario durch geregelten Netzzugang und gesellschaftsrechtliches Unbundling (Entflechtung der Unternehmen) zu einem liquiden Gasmarkt mit sinkenden Preisen für Industriekunden von 30 bis 40Prozent. Haushaltskunden könnten mit bis zu 20Prozent fallenden Gebühren rechnen. Der Wettbewerb im Gasmarkt werde vor allem Ferngasgesellschaften sowie Regional- und Lokalverteiler treffen. 2007 werden von den heute 700 kleinen Gasverteilern noch etwa 450 am Markt sein. Dass bislang kaum Fusionen zu einer »kritischen Unternehmensmasse« stattgefunden hätten, sei auf die Aktionärsstruktur zurückzuführen, erklärte Hannes. 60Prozent der Verteiler seien in kommunaler Hand, weitere 33Prozent zumindest mit öffentlichen Beteiligungen ausgestattet. Erst Wettbewerbsdruck werde zur Überwindung kommunaler Machtansprüche führen. Regional- und Lokalgesellschaften könnten bis 2007 um 75Prozent wachsen, Ferngasgesellschaften um die Hälfte. Der Anteil der ausländischen Unternehmen am Markt w...

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