Börsen im Goldrausch

Kriegsangst trieb Preis auf Rekordhoch

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die internationalen Finanzmärkte befinden sich in einem wahren Goldrausch. Nach langer Depression ist das edle Metall wieder des Anlegers Liebling.
Der aktuelle Goldrausch ist auch für Experten überraschend gekommen. Seine wichtigste Funktion hat das Edelmetall nämlich längst verloren. Vom Altertum bis in die späte Neuzeit war Gold (althochdeutsch: das Gelbliche, Blanke) vor allem Zahlungsmittel. Auch nach der deutschen Reichsgründung 1871 wurden die neuen Zehn-Mark-Stücke ganz aus Gold gefertigt. Um die Jahrhundertwende war eine vollkommene Goldwährung internationaler Standard, Banknoten ohne hundertprozentige Golddeckung hatten im grenzüberschreitenden Handel keine Chance mehr. »Papiergeld galt damals als Notgeld«, schreibt Professor Rudolf Richter in einem Aufsatz der Bundesbank. Nur wenige Ökonomen hielten vor hundert Jahren den heutigen reinen Papierstandard überhaupt für denkbar. Ein Dollar ohne Golddeckung erschien Wissenschaftlern und Publizisten als bitteres Trauma. Theoretisch, denn tatsächlich sank schon vor dem Ersten Weltkrieg der Goldanteil fast aller Währungen nach und nach ab. Mit der alliierten Währungskonferenz in Bretton Woods begann dann 1944 das Ende vom glorreichen Gold-Lied. Die uralte Doppelgleichung »Gold gleich Geld« und »Geld gleich Gold« hatte ihre bindende Kraft verloren. Der letzte Abschiedsgruß erklang am 15.August 1971: An jenem Sommertag beerdigten die USA die letzten Reste der Goldparität. Seither kann selbst der Dollar nicht mehr eins zu eins in Gold umgetauscht werden. Dem geschmeidigen Metall blieb fortan nur noch eine Nebenrolle als Notreserve der Zentralbanken, die sich damit gegen Inflation und Wertverfall schützen wollen. Im Juli 1999 schockte dann die Bank von England die Welt: Der Inbegriff von Stabilität und Geldsicherheit verkaufte einen Teil seiner Reserven. 25 Tonnen des Edelmetalls wurden zunächst am Markt in London abgesetzt, später folgten weitere Transaktionen. Dieser geradezu historische Schritt der Briten löste einen weiteren Preisrutsch aus, und der Goldpreis sackte bis auf rund 250 Dollar pro Feinunze ab - dem tiefsten Stand seit Jahrzehnten. In besseren Tagen hatte die Unze noch 850 Dollar gekostet. Auch die Zukunft sieht nicht sonderlich goldig aus. Weitere Notenbanken und auch der Internationale Währungsfonds haben Gold verkauft oder umfangreiche Verkäufe angekündigt. Die moderne Portfoliotheorie billigt dem Gold nur noch eine Statistenrolle zu. Noch 1999 hatten sich 15 europäische Zentralbanken darauf geeinigt, in den kommenden fünf Jahren jeweils 400 Tonnen zu veräußern, was immerhin knapp einem Sechstel der Weltjahresförderung entspricht. Die Zentralbanken wollen weg vom langfristig renditeschwachen Gold und ihre Reserven lieber in lukrativeren Anlagen parken. Als globales Zahlungsmittel und als Währungsreserve hat Gold also ausgedient - und trotzdem sind die Preise in den letzten Monaten gestiegen. Anfang Januar hatte der Preis für die Feinunze ein fast schon sagenhaftes Sechsjahreshoch bei etwa 350 Dollar erreicht. Gestern kletterte er auf 371,75 Dollar. Auslöser des aktuellen Kursfeuerwerks scheinen vor allem die Terminmärkte zu sein, auf denen Fonds und potente Privatanleger wieder vermehrt in Gold investieren. Dahinter stehen die Angst um die wirtschaftlichen Folgen eines Irak-Kriegs und die Sorgen um einen noch schwächeren US-Dollar. In Krisenzeiten flieht Kapital eben immer noch gerne in die alte Fluchtburg »Gold«. Diese Gründe werden jedoch den Preisboom nicht lange tragen. So erwarten die Analysten von Deutscher Bank, Rothschild oder UBS Warburg schon in diesem Jahr ein Absinken des Goldpreises auf 300 Dollar und darunter. Dann wird Gold wieder das, was es im Kern nur noch ist: ein Rohstoff für Schmuck, Elektronik und Medizin. Diese technischen Anwendungen werden jedoch angesichts üppiger, veräußerungswilliger Goldreserven in den Notenbanken nicht für einen dauerhaften Goldrausch ausreichen.
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