Hartz - falsch und verfälscht

Gewerkschaften gegen rot-grüne Politik

  • Peter Liebers, Erfurt
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Eine Konferenz der Gewerkschaft ver.di unter dem Titel: »Hartz - die schnelle Medizin?« in Erfurt am Wochenende mündete in einer massiven Kritik am Sozialabbau durch die rot-grüne Bundesregierung.

Die Hartz-Vorschläge seien die falsche Therapie und stützten sich auf eine falsche Diagnose der Ursachen der Massenarbeitslosigkeit, betonte das Vorstandsmitglied der IG Metall, Horst Schmitthenner. Nicht die mangelnde Mobilität der Arbeitslosen, sondern sechs bis sieben Millionen fehlende Arbeitsplätze seien das Problem. Als erschreckend wertete es Schmitthenner, dass sich die Hartz-Vorschläge, die auf bessere Verknüpfung von Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik sowie auf bessere Vermittlung zielten, nicht in den einschlägigen Gesetze wiederfinden, sondern nur jene, die Leistungskürzungen und verschärfte Zumutbarkeit mit sich bringen. Für den Thüringer Arbeitsmarktexperten Gerd Fuchs, der ausdrücklich betonte, nicht als Ministerialbeamter, sondern als Privatperson zu sprechen, agiert in Berlin eine »große Koalition der Kaputtmacher«, die in einer Allparteienallianz Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik betreibt. Die Auseinandersetzung mit Hartz sei deshalb noch lange nicht zu Ende. »Wir müssen dran bleiben, sonst gibt es noch mehr Grausamkeiten«, warnte er. In Thüringen sind die Folgen der - nach dem Hartz-Konzept beschlossenen - Gesetze für »Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« bereits spürbar. Bei Opel Eisenach werde dem Personalnotstand nicht mehr durch Neueinstellungen, sondern durch Leiharbeiter begegnet, berichtete Betriebsratsmitglied Martina Pracht. Die »Geliehenen« müssten für nur 5,80Euro Stundenlohn meist miese Arbeiten verrichten und würden zusätzlich diskriminiert, indem man ihnen die Arbeitskleidung der Stammbelegschaft verweigere. Im Krankheitsfall würden sie sofort entlassen. Es sei absehbar, dass die Stammbelegschaft zu Gunsten von Leiharbeitern immer weiter reduziert werde, betonte Pracht. Ihr werde »schlecht«, wenn sie an die Zukunft denke. Der Sömmerdaer Computerhersteller Fujitsu-Siemens, wurde auf der Tagung weiter berichtet, habe gleich im Betrieb einer Leiharbeitsfirma ein Büro eingerichtet und nutze jetzt - anstelle der bisher 150 bis 200 befristet zum Tariflohn von zehn Euro die Stunde Eingestellten - Leiharbeiter, die nur die Hälfte dieses Lohnes erhielten. In Thüringen ging die Zahl der voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten nach DGB-Angaben seit 1995 um 114000 auf nur noch 775700 zurück. Dieser Prozess werde sich angesichts der gesetzlich sanktionierten Ausweitung von Mini-Jobs beschleunigen, warnte Schmitthenner. Für das Niedrigstlohnland Thüringen seien Mini-Jobs besonders verheerend, warnte ver.di-Fachbereichsleiter Angelo Lucifero. Im Friseurgewerbe betrage schon der tarifliche Stundenlohn nur 3,88Euro. Ihn habe das Jenaer Arbeitsamt mit 60 Jahren in die Rente zwingen wollen, erzählte der arbeitslose Netzwerksspezialist Siegfried Heuser. Obwohl er nur 600 Euro Rente erhalten würde, weigere sich die Arbeitsvermittlerin, nach einem Arbeitsplatz für ihn zu suchen. Axel Troost von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik mache die Steuerpolitik der Bundesregierung für das Dilemma verantwortlich. Allein durch die Senkung der Körperschaftsteuer seien 40 Milliarden Euro Steuern ausgefallen. 16 Milliarden könnten über die Vermögensteuer in die Kassen kommen. Auch von der Abgeltungsteuer erwartet er weitere Einbußen. Mit einer anderen Steuerpolitik könne, so Troost, ein langfristig angelegtes kommunales Investitionsprogramm aufgelegt und die Konjunktur belebt werden. Thüringen kann nach Darstellung von DGB-Landeschef Frank Spieth aus eigener Kraft keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr betreiben. Die den Arbeitsämtern dafür zur Verfügung stehenden Mittel seien von 200 Millionen Euro 1999 auf 36 Millionen Euro in diesem Jahr zusammengestrichen worden. Für den Fall, dass die SPD-geführte Bundesregierung weiter Hand an die Renten- und Sozialversicherung legt und den Sozialstaatsabbau fortsetzt, kündigte Spieth an, würden er und viele andere Sozialdemokraten ihre SPD-Parteibü...

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