Bushs Atombomben gegen Bagdads Bunker

USA planen im Ernstfall nukleare Schläge ein / Inspektoren ohne Beweise für irakische Kernwaffen

Bushs Stabschef Andrew Card hat erstmals Washingtons Absicht offiziell gemacht, bei einem Krieg gegen Irak selbst Atomwaffen einzusetzen.

Alle notwendigen Mittel werde man einsetzen, um sich vor irakischen Massenvernichtungswaffen zu schützen, so der Stabschef des USA-Präsidialamtes am Sonntagabend in einem Interview mit dem Fernsehsender NBC. Und als gefragt wurde, ob dies auch eine Option auf Atomwaffen bedeute, wollte Card nichts »vom Tisch wischen«. Diese Vieldeutigkeit ist eindeutig und die defensive Attitüde schnell entlarvt. Zum einen schließen die Bush-Doktrin der präventiven Kriegführung den Einsatz von Kernwaffen und die neue USA-Atomstrategie »Nuclear Posture Review« auch den »vorbeugenden« Erstschlag ein - ein Bruch aller völkerrechtlicher Vereinbarungen auf diesem Gebiet. Und zum anderen hatte wenige Stunden vor dem Mann aus dem Weißen Haus schon ein renommierter Militärexperte die Katze aus dem Sack gelassen. Wie William Arkin in der »Los Angeles Times« schrieb, plane Präsident George W. Bush bei einem Feldzug gegen Bagdad den begrenzten Einsatz von Bunker brechenden Atombomben nicht nur gegen Lager von Massenvernichtungswaffen, sondern auch gegen unterirdische Kommandostellungen, die mit konventionellen Sprengkörpern nicht zerstört werden könnten. Für Arkin, der früher als Geheimdienstanalytiker im Dienst der USA-Armee stand und gute Verbindungen zum Pentagon hat, eine »erhebliche Absenkung der nuklearen Schwelle«. Die Planung beruhe auf einer Anordnung von Pentagon-Chef Donald Rumsfeld vom Dezember 2001. Diese erlaube den Ersteinsatz von Kernwaffen gegen militärische Ziele, wenn ihnen mit anderen Waffensystemen nicht beizukommen sei. Fred Celec, Rumsfelds Deputy Assistant, schwört auf »nukleare, erddurchdringende Waffen«. Konventionell bestückte »Bunkerknacker« in den Beständen der USA-Streitkräfte sind die auch in Afghanistan eingesetzte lasergesteuerte GBU-28 und die neu entwickelte BLU-118B, die einen extrem heißen Feuerball erzeugt. Die von den USA-Militärs nicht weniger heiß begehrten atomaren »Mini-Nukes« gibt es noch nicht. Sie befinden sich im Stadium der Machbarkeitsstudien. Einsatzfähig ist dagegen seit fünf Jahren die größere B61-11, die jüngste Weiterentwicklung der Atombombe B61 mit einer Sprengkraft von 10 bis 340 Kilotonnen. Sie bohrt sich vor der Explosion bis zu sechs Meter in die Erde, kann aber nur weichen Boden durchdringen, nicht harten Fels. In ihrer größten Form hat sie die Zerstörungskraft von mehr als 20 Hiroshima-Bomben und soll Ziele selbst in 100 Meter Tiefe pulverisieren - töetet aber auch jeden Menschen im weiten Umkreis. Radioaktiv verseuchtes Erdreich könnte bei ungünstigem Wind noch in drei Kilometern Entfernung als »Fall-out« schwere Strahlenschäden verursachen. Bagdad bestreitet die USA-Vorwürfe, über Massenvernichtungswaffen zu verfügen. Vize-Premier Tarek Asis sagte am Sonntag einem britischen Fernsehsender auf die Frage, ob er garantieren könne, dass Irak nicht zuerst chemische und Biokampfstoffe einsetzt: »Ja, weil wir diese nicht haben.« Ein UNO-Labor in Seibersdorf bei Wien hat in den letzten Wochen bei der Untersuchung von 16 Proben der Waffeninspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) keinen Hinweis auf Atomwaffen entdeckt, wie die Leiterin Gabriele Voigt jetzt erklärte. Noch aber, so IAEO-Sprecherin Melissa Fleming gestern, könne man auch nach über 100 Inspektionen nicht definitiv sagen, »ob Irak zwischen 1998 und 2002 erneut ein Atomwaffenprogramm angefangen hat«. Dafür seien noch ein paar Monate erforderlich. Und wenn Staaten interessante Informationen hätten, sagte Fleming mit Blick auf die gerade wieder von USA-Außenminister Powell wiederholte Ankündigung sensation...

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