Plädoyer gegen Kriegspolitik

Ex-CDU-Politiker Todenhöfer warnt vor drohendem US-Angriff auf Irak

  • Tilo Gräser
  • Lesedauer: 3 Min.
»Ein Angriffskrieg gegen den Irak wäre ein ungerechter Krieg. Er wäre ein lebensgefährlicher Rückfall in eine barbarische Urzeit, in der Krieg Normalzustand war, von Friedensverträgen nur zeitweise unterbrochen.« Das schreibt einer, der sich selbst als »Freund Amerikas« bezeichnet und Ehren-Oberst der US-Army ist: Jürgen Todenhöfer.
Der Jurist, langjährige Bundestagsabgeordnete der CDU und heutige Burda-Manager warnt in seinem jüngst in Berlin vorgestellten Buch vor den »Irrtümern des Kreuzzuges gegen den Terror«. Ein Krieg gegen den Irak wäre völkerrechtswidrig, so Todenhöfer, da seit dem Nürnberger Tribunal 1945 Angriffskriege »bis auf enge Ausnahmen« international verboten seien. Zugleich wäre er unmoralisch, da er Tausende unschuldige Zivilisten zu Opfern machen würde. Der frühere Entwicklungspolitiker nannte den drohenden Krieg auch »überflüssig«: »Eine politische Lösung ist möglich, wenn sie gewollt ist, weit über eine Entwaffnung Iraks hinaus.« Doch es habe seit dem Golfkrieg 1990/91 keine Lösungsversuche gegeben. Der einstige CDU-Mann gab nach eigenen Worten seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag vor zwölf Jahren keine politischen Äußerungen mehr von sich. Doch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sowie Besuchen in Afghanistan und im Irak wolle er zeigen, was Krieg für die betroffene Bevölkerung bedeutet. In seinem Buch »Wer weint schon um Abdul und Tanaya?« analysiert er nun politische Hintergründe und beschreibt anhand einzelner Schicksale die Lage der Menschen in Afghanistan und Irak. Der Ex-Politiker trat in Berlin gemeinsam mit dem elfjährigen Sabur aus Kabul auf. Der Junge verlor bei einem US-Bombenangriff auf die afghanische Hauptstadt Anfang vergangenen Jahres seine Mutter und einen Großteil seiner Familie. Schüchtern und bewegt schilderte er, was er erlebte. »Im Irak drohen die selben Schicksale«, warnte Todenhöfer. Bei einem weiteren Besuch in dem Land vor drei Wochen habe er erneut die »überwältigende Herzlichkeit« der dortigen Bevölkerung erlebt. Sie sei »sehr amerikafreundlich« und lebe in »erschütternder Not«. Die irakischen Menschen seien »doppelt bestraft« durch die Herrschaft eines »gnadenlosen Diktators« und durch die »gnadenlosen Sanktionen« nach dem Golfkrieg vor zwölf Jahren. Durch letztere seien laut UNICEF mehr als 500000 Kleinkinder ohne Chance auf einfachste medizinische Versorgung gestorben, erinnerte Todenhöfer: »Der Einsatz chemischer Waffen gegen den Iran und gegen die Kurden ist Saddams Verbrechen«, ist in dem Buch zu lesen. Und weiter: »Der Tod Hunderttausender Kinder durch unmenschliche Sanktionen ist unser Verbrechen.« Der »große Freund Amerikas« kritisierte, dass die Hardliner in der Bush-Administration ihr Ziel eines »Präventivkrieges« gegen den Irak unbeirrt weiterverfolgen. Die UN-Resolution 1441 vom November 2002 stecke »voller Doppeldeutigkeiten und Fallstricke, über die man Saddam Hussein jederzeit stolpern lassen kann«, kritisiert der frühere Richter Todenhöfer in seinem Buch. Ein Krieg wäre auch kontraproduktiv, erklärte er in Berlin, da er dem islamischen Terrorismus neue Anhänger zuführen würde: »Einziger Gewinner wäre Bin Laden.« Sein Buch versteht er als Plädoyer für den Vorrang der Politik gegenüber dem »Irrweg« Krieg. »Gegen Terror hilft kein Gegenterror«, schreibt er und fordert neben Härte gegenüber den Terroristen »Gerechtigkeit gegenüber der muslimischen Welt«. »Wir werden unsere Freiheit, unseren Wohlstand und unseren Frieden nur bewahren können, wenn wir in Gerechtigkeit genauso viel investieren wie in Waffen.« Von der Bundesregierung erwartet er, dass dem Grundgesetz gemäß alles unterlassen werde, was einen ungerechtfertigten Angriffskrieg unterstütze, erklärte Todenhöfer auf ND-Nachfrage.
Jürgen Todenhöfer: Wer weint schon um Abdul und Tanaya? Die Irrtümer des Kreuzzuges gegen den Terror. Herder Verlag. 2003. 224 Seiten. 19,90
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