Viel Geschichte um Ehrenbürger Hindenburg

Kulturausschuss entscheidet im Februar über Aberkennung/Chance für eine Kommission

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Mit der Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs ist einst übelste deutsche Geschichte in die Berliner Lokalpolitik geraten. Weil man kurz nach dem Krieg und dann auch sonst - nunmehr im Westteil - Gelegenheit zur unauffälligen Bereinigung ungenutzt verstreichen ließ, hat man nun den Ärger. Einen Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen, den Generalfeldmarschall zu streichen, behandelte gestern der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Dies so durchaus bedacht am Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus. Kaum Zweifel blieb, dass die Tage des Reichsfeldmarschalls als Ehrenbürger gezählt sein dürften. Erkenntnisse aus der Anhörung des Historikers Prof. Heinrich Winkler sollen jedoch den Fraktionen zur Kenntnis gegeben, dort erörtert und erst im Februar darüber entschieden werden, wie der kulturpolitische Sprecher der PDS-Fraktion Wolfgang Brauer der darüber wohl ein ganz klein wenig verdutzten Opposition von CDU und FDP vorschlug. Zu überzeugend waren die Argumente gegen Hindenburg, als dass man solche Großmut hätte erwarten dürfen. Damit bekam auch ein FDP-Antrag Aussicht auf Erfolg. Plädiert wurde darin für eine Grundsatzdebatte zum Thema Ehrenbürgerschaft. Das konnte als »Änderung« nicht durchkommen, weil es eben namentlich um den ganz konkreten Fall Hindenburg ging. Nun will die FDP einen »richtigen Antrag« machen. Am Ende könnte - nicht nur für Wolfgang Brauer ein »sympathisches Anliegen«, sondern auch für die CDU - eine Kommission zum ehrenden Umgang mit Geschichte stehen. Diesmal ging es nicht, wie Vorsitzende Alice Ströver (Bündnis 90/Die Grünen) präzisierte, um eine generelle Prüfung der Ehrenbürgerfrage, sondern den Einzelfall. Dessen Behandlung ist zurückzuführen auf eine Petition von Bürgern, deren Anliegen sich die Bündnisgrünen zu Eigen und einem Antrag machten. Damit standen solche Fragen auf der Tagesordnung: Hat Hindenburg seinen Teil zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beigetragen? Was hat diese Person für Berlin geleistet? War es Dank für Willfährigkeit, dass der Reichspräsident - nachdem er ihm die Macht angetragen hatte - mit Adolf Hitler gemeinsam und zeitgleich in 4000 Gemeinden und Orten Deutschlands Ehrenbürger wurde? Ein spannendes Stück Geschichte zelebrierte dazu Prof. Heinrich Winkler. Immer wieder verwies er auf die eindeutige politische Verantwortung des im April 1932 wieder gewählten Reichspräsidenten. Hinweise auf sein hohes Alter können ihn nicht entlasten, meinte Prof. Winkler. »Hindenburg trug entscheidend zum Weg in die Katastrophe bei.« Dabei hatte er selbst öffentlich erklärt, er könne es »vor Gott, seinem Gewissen und dem Vaterland nicht verantworten«, einer Partei, die einseitig gegen Andersdenkende eingestellt sei, die Macht zu übergeben. 1932 sah er die Parteidiktatur voraus. »Hindenburg wusste, warum er Hitler ablehnte«, ließ sich jedoch überzeugen, dass er in einem konservativen Kabinett keine Gefahr darstellen würde. Hindenburg unterschrieb zudem neben anderen das Ermächtigungsgesetz, und auch ein rassistisches, diskriminierendes Beamtengesetz konnte nur mit seiner Unterschrift in Kraft treten. »Spezifische Verdienste um Berlin« seien ihm auch nicht bekannt, meinte der Experte. »Ich sehe keinen Grund, ihn auf der Liste der Ehrenbürger zu belassen«. Aufklärung wurde bei dieser Gelegenheit auch Michael Cramer (Bündnis 90/ Die Grünen) zuteil. Er hatte sich über »das schlechte Gewissen der Liste« der Ehrenbürger verwundert. Bei jedem stehe das konkrete Datum der Verleihung, bei Hindenburg nur das Jahr. Seine Parteifreundin Ströver konnte etwas später Auskunft geben, als sie die damalige offizielle Begründung als Ehrung »für Verdienste um die nationale Wiedergeburt der Stadt Berlin« und vor allem das Datum verlas: 20. April 1933, »Führers Geburtstag«. Ach deshalb, wussten jetzt neben Michael Cramer auch alle anderen. Danach machte es der Bündnisgrüne knapp: »Wir haben keine Möglichkeit zu sagen, Hindenburg gehört auf die Liste, er gehört runter.« Noch kürzer war Wolfgang Brauer: »...muss weg!« Der fraktionslose Wolfgang Jungnickel sprach sich für den Antrag der Grünen aus, und Brigitte Lange (SPD) erklärte: »Hindenburg gehört ganz sicher nicht zu denen, die geehrt werden sollten.« Für die CDU steuerte Monika Grütters »sehr erhebliche Zweifel an der Würdigkeit Hindenburgs« bei. Eine »denkwürdige und notwendige Geschichtsstunde im Parlament« hatte damit auch Kultursenator Thomas Flierl (PDS) erlebt. Im Windschatten von Prof. Winkler offenbarte er sich gleich noch als Zweifler an einem Rosa-Luxemburg-Denkmal, und er versicherte, man stehe »nicht vor einer neuen Geschichtsrevision«. Das Thema 17. Juni wurde auf Bitte des Senates und mit Koalitionsmehrheit vertagt, der Kultursenator war eben noch nicht fertig. Dafür hatte er wenigstens e...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.