nd-aktuell.de / 18.07.1991 / Politik / Seite 1

Westen ist bereit, die UdSSR „einzubinden

London (Reuter/ADN/dpa). Die Sowjetunion erhält künftig einen besonderen Status beim internationalen Währungsfonds (IWF) und bei der Weltbank und soll dadurch enger in die Weltwirtschaft eingebunden werden. Dies ist eines der wichtigsten Ergebnisse der fast fünfstündigen Unterredung zwischen den Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Wirtschaftsnationen (G-7) und dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow am Mittwoch in London. Zugegen waren auch EG-Kommissionspräsident Delors und als EG-Ratspräsident der niederländische Premier Lubbers.

Wie der britische Premier Major am Abend auf einer Pressekonferenz mitteilte, kann die Sowjetunion mit dem neuen Status die technische Unterstützung von IWF und Weltbank bei der Verwirklichung ihres Reformprogramms in Anspruch nehmen. Die G-7 sei sich über die Notwendigkeit der Intensivierung der technischen Hilfe besonders im Energiebereich, bei der Konversion der Rüstungs- in eine zivile Industrie, bei der Nahrungsmittelverteilung und der Atomsicherheit einig. Der Handel müsse gefördert werden. Darüber hinaus wolle man die Zusammenarbeit auch über den politischen Dialog mit den Vorsitzenden der G-7 weiterführen.

Präsident Gorbatschow, der den Sieben sein Konzept des Übergangs der sowjetischen Wirtschaft zum Markt dargelegt hatte, bezeichnete die Gespräche in London als einen beispiellosen Dialog, mit dem sich viel geändert habe. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit und dazu, unsere Verantwortung wahrzunehmen, um die positiven Prozesse voranzutreiben, sagte er. Dieser Prozeß werde aber um so stabiler, wenn sich in der ökonomischen Sphäre ebenso gravierende Umgestaltungen vollziehen wie im politischen Bereich. Ein Schlüsselproblem dabei sei die Einbeziehung der Sowjetunion in die Weltwirtschaft.

Gorbatschow informierte darüber, daß er bei seinem Gespräch mit US-Präsident Bush die letzten Unklarheiten über den Vertrag zur Reduzierung der strategischen Kernwaffen (START) ausgeräumt habe und der Vertrag jetzt unterschriftsreif sei. Ende Juli werde in Moskau ein sowjetisch-amerikanisches Gipfeltreffen stattfinden.

Am Vormittag hatte Gorbatschow den französischen Präsidenten Mitterrand in dessen Hotel besucht. Laut Reuter habe Mitterrand die Auffassung geäußert, die Aufnahme der UdSSR in die G-7 wäre „vollkommen wünschenswert“. Jetzt jedoch sei dafür die Zeit noch nicht reif.

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