nd-aktuell.de / 18.07.1991 / Politik / Seite 1

Kroatien erwartet Angriff der Armee

Belgrad (dpa/ND). Während die politische Führung Jugoslawiens lahmgelegt ist, droht ein neuer militärischer Schlag der Armee des Landes gegen die abtrünnigen Republiken Slowenien und Kroatien. Auf der Adria-Insel Brioni tagte am Mittwochnachmittag die von den beiden Nordrepubliken geführte Hälfte des Staatspräsidiums. In Belgrad hatte sich das gleichstarke serbische Lager versammelt. Regierungschef Ante Markovic und Außenminister Budimir Loncar schlössen sich der Brioni-Gruppe an, Verteidigungsminister Veljko Kadijevic und Innenminister Petar Gracanin bevorzugten den serbischen Block in Belgrad.

Inzwischen hat das serbische Lager angekündigt, Stjepan Mesic aus Kroatien als Staatsoberhaupt das Vertrauen wegen Unfähigkeit zu entziehen. Dann hätte Mesic keine Mehrheit mehr hinter sich.“ Gleichzeitig wären damit, die EG-Vermittlungsbemühungen gescheitert, die von der Wahl Mesics als Staatsoberhaupt ausgegangen waren.

In Kroatien waren bei Zusammenstößen zwischen kroatischen Polizisten und bewaffneten serbischen Zivilisten am Mittwoch wieder Tote und Verletzte zu beklagen.

In Slowenien spitzte sich der Konflikt mit der Armee dramatisch zu, nachdem die Behörden fünf Armee-Kasernen wieder Strom und die Telefone abgestellt hatten. Die

Stromversorgung soll so lange unterbrochen bleiben, bis die Armee die blockierten slowenischen Flughäfen und den gesperrten Luftraum freigibt. Die Luftwaffe demonstrierte mit Tiefflügen über Slowenien militärische Präsenz.

Die kroatische Regierung erwartet innerhalb der nächsten vier Tage einen Großangriff der Armee gegen ihre Republik. Dazu würden zwei militärische Großverbände aus Bosnien und einer aus Serbien in diese Republik einmarschieren, berichtete Kroatiens Verteidigungsminister Sime Djodan.

Unterdessen hat das jugoslawische Verteidigungsministerium Deutschland erneut beschuldigt, Slowenien aufgerüstet zu haben.