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  • Kultur
  • Besucherstrom zur CONFIGURA 1 auf dem Gelände der Erfurter iga

Geheimnisse im Spannungsfeld von Kunsthandwerk und Kunst

  • Lesedauer: 2 Min.

Riesige geschnittene und montierte Stahlfiguren von Irmtraud Ohme begrüßen in Halle 1 der iga die Ber sucher: stilisierte, sich blütenähnlich rankende Ornamente, Schemen tanzender Gestalten, Mauresken „in höchster Verzückung? - in abgründiger Verzweiflung?“ So hinterfragt die Künstlerin im Katalog den ambivalenten Sinngehalt dieser „assoziativen Zeichen“. l

Gestalthafte Zeichenfindungen solchen Lebensgefühls sind viele Werke der CONFIGURA. In den verschiedensten Materialien und auf unterschiedliche Weise realisiert sich bildhaftes Denken, und zwar in einer Dichte, die so wohl noch nie erlebt werden konnte. Ein Besucherstrom dankt es den Künstlern und Ausstellungsmachern. Viele Printmedien berichteten und die DFF-Länderkette. Aber das „Westfernsehen“ verhält sich abstinent, und in einem westdeutschen Kommentar wird die Ausstellung als „Schnittstelle“ glossiert, als läge hier Kunst auf dem Operationstisch: Ausstellungskonzept tot? Patient tot?

Doch allemal ist es an Grenzstellen - wie in geschichtlichen Umbruchzeiten - äußerst lebendig. Und so empfinde ich die Grenzsituation der CONFIGURA zwischen Kunsthandwerk und freier Kunst als konsequent hinsichtlich des zentralen Punktes einer „Materialkunst“ und in ihrer Offenheit wie dem Verzicht auf Schubladen.

Selbst scheinbar traditionelle Objekte, wie manche Brosche, transzendieren vom Schmuck zum Träger bildhafter Ideen. Andere reflektieren das Kunsthandwerk ironisch; Sektgläser, aus denen nie getrunken werden kann (Laurentiu), oder aus einem geflochtenen Korb sprießen Weidenkätzchen - als sei unter formender Hand das Material lebendig geworden.

So griffig liegen die Ideen seltener auf der Hand oder auch so karikierend, wie die bei der Krone im Einkaufswagen (Nisslmüller). Bei den 270 Künstlern aus 23 Ländern ist es zuerst die sinnliche Freude, dem Material eine originäre Gestalt abzuringen, die sich mitteilt.

Eine poetische Idee ist oft eher im Ahnungsvollen belassen. Doch wird dem Betrachter durch die eigene Phantasie manche Form aus Schamotte, Leder, Textil usw. zum Bilderlebnis.

Da blitzt es, als er einen Bogen durchschreitet, über seinem Kopf (Santachiara) - ein „Über-Ich“? Bei fünf Treppen (Müller) kommen ihm Möglichkeiten des Aufstiegs und Falls in den Sinn. Er trifft auf eine Tür, Barriere zur Außenwelt, in deren Türspion die Erde aus Satellitenperspektive sichtbar wird (Xaver). Archen liegen bereit (Pontoreau, Reimkasten). Und ein surrealer Schrank (Mills) beginnt, mit kleinem Schritt und abgeknickter königlicher Oberkammer ein Geheimnis auszuplaudern. Im Spannungsfeld zwischen Kunsthandwerk und Kunst bleibt unendlich vieles auszuschreiten und noch manches Geheimnis.

(CONFIGURA 1, bis 4. August, Mo-So 9-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr)

Dr. habil. PETER ARLT

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