Notstand
Eine „positive Zwischenbilanz“ beim Aufbau der Arbeitsrechtsordnung in den neuen Bundesländern zog dieser Tage Staatssekretär Günther vom Bundesarbeitsministerium. Nimmt man die rosarote Brille ab, sieht man, daß es zwar eine Menge Neuregelungen gibt, aber auch etliche Probleme und viel zu wenige Arbeitsrichter. Gerade die aber werden gebraucht - erst recht, nachdem vor Tagen die Warteschleife auslief.
All das war voraussehbar. Nur wer es nicht wollte, der erkannte nicht, daß der Einigungsvertrag gerade in diesem Bereich einige, gelinde gesagt, spröde Seiten hat. Zehntausende erwarten nun von den Arbeitsgerichten die notwendige „Nacharbeit“. Denn bis zu einem halben Jahr harrt man auf die Entscheidung einer Kündigungsschutzklage. Der schnöde Grund ist oft: Zuwenig Richter, Sitzungssäle und Gerichtsbedienstete.
Allmählich beginnen jetzt in den östlichen Ländern die Neueinstellungen bei Arbeitsgerichten, werden Bewerbungen geprüft. Und schließlich, man.höre, wjll das Bundesarbeitsministerium eine Untersuchung zu den Schiedsstellen in den Betrieben anschieben. Ergebnisse sollen bis Jahresende vorliegen, also dann, wenn die Arbeitsgerichtsbarkeit stehen soll und die Schiedsstellen nach dem Einigungsvertrag das Ihre getan haben. Es scheint, hier sind schon viele Züge abgefahren.
Eine neue Welle von Arbeitsgerichtsklagen könnte ab August kommen. Fraglich ist, ob die 200 vorgesehenen (zum Teil noch nicht vorhandenen) Richter davon nicht überrollt werden. Aber es gibt in den alten Bundesländern 600 Arbeitsrichter, und daher sind, so Staatssekretär Günther, die 200 im Osten eben genug. Eine Rechnung, die nicht aufgeht, denn in den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden in der Ex-DDR 130 000 Verfahrenanträge gestellt - zweieinhalb Mal soviel wie in allen Altbundesländern für das ganze Jahr 1990.
KARIN WENK
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