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  • Kultur
  • Carl Orffs „Kluge“ im Kleist-Theater Frankfurt(O)

Sympathische Strolche

  • Gunter Gort
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn das Gaunerterzett auf der Szene ist, kommt Stimmung ins Frankfurter Kleist-Theater. Die drei liebenswerten Strolche (Uwe Kaschner, Frank Göbel und Peter Schulz) balancieren geschickt an der Grenze zur Klamotte. Sie sind es, die den Rhythmus der von Alexander Herrmann besorgten Inszenierung bestimmen. Eigentlich sind sie die Handelnden und der König nebst der Gegenspielerin die Reagierenden.

Die Rede ist von Carl Orffs hintersinniger Kleinoper „Die Kluge“. Die Zuschauer tun gut daran, ihrer Phantasie und dem Spiel auf der Bühne zu vertrauen, sich durch den philosophischen Begleittext im Programmheft nicht auf die falsche Fährte hetzen zu lassen. Denn was dort als Absichtserklärung zu lesen ist, wird auf der Bühne nur partiell eingelöst. Das ist ein Vorteil. Da geht es viel munterer zu, als man nach dem Lesen vermutet.

Im Mittelpunkt des Stückes: der offensichtlich seit Generationen nicht zu lösende Widerspruch zwischen Geist und Macht. Der König muß ausmanövriert werden, um seine von Habgier und arroganter Beschränktheit diktierten Entscheidungen revidieren zu können. Klugheit, List und Charme sind die Waffen der „Klugen“, den König zur Strecke, sprich auf die Matratze, zu bringen, ihm seinen Dünkel zu nehmen.

Wenn's doch nur so einfach wäre, die anmaßende Beschränktheit mancher Oberen auf diese Weise unschädlich zu machen. Aber das klappte in der Vergangenheit nicht und hat auch in der Gegenwart kaum eine Chance. Insofern wird das von Carl Orff nach einem Mär-

chenstoff der Brüder Grimm geschaffene Werk wohl noch eine Weile aktuell bleiben.

Claudia-Maria Mokri zeichnet eine Kluge von stiller Schönheit. Ein bißchen mehr Raffinesse, bewußtgemachte Verführungskunst und Spritzigkeit des Geistes hätte Regisseur Herrmann ruhig spielen lassen sollen. Daß der König (Dieter Voigt), ein Saufaus und wohl auch rechter „Frauenfresser“, von diesem etwas naiven Mädchen zu bekehren ist, man möchte es anzweifeln. Stimmlich wird die Sängerin mit ihrer Partitur fertig - ein schönes, tragfähiges Piano, sehr jugendliches Timbre.

Der König gerät etwas zu einschichtig. Ob sich ein gescheites Weib wirklich in so ein Ekel verliebt? Er muß etwas haben, was man aber auf der Bühne nicht sieht. Paul Sketris gibt den Bauer, den Vater der Klugen. In Stimme und Habitus wirkt er leider zu blaß. Dieter Zacher spielt den Kerkermeister als Bilderbuchbösewicht. „Der Mann mit dem Esel“ gerät zu sehr als Karikatur. Das mag aber an den gesanglichen Mühen liegen, die Helmut Brückner mit seiner Partie hat. Jürgen Große als „Mann mit dem Maulesel“ gibt seine Rolle als weltgewandter Gauner. Typen dieser Art haben wir ja nun reichlich Gelegenheit kennenzulernen.

Franz Krützsch bringt mit dem Philharmonischen Orchester die lichte, rhythmisch aktivierende Musik gut zum Klingen. Manches wünschte man sich weniger akademisch, vertrüge etwas mehr natürliche Losgelassenheit.

Ein kurzer, kurzweiliger Opernabend.

GÜNTER GÖRTZ

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