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  • Brandenburg
  • Lichtenberger Bezirksverordnete zum Nachrechnen und Nachdenken aufgefordert

Retten Sonne und Vernunft die Straße der Befreiung?

  • Lesedauer: 3 Min.

„Bevor wir nun in den Sommerurlaub gehen“ - aufatmend gab Lichtenbergs Bezirksvorsteher Dr. Johann Kubier (CDU) am Mittwochabend noch einen organisatorischen Hinweis und schickte dann die Bezirksverordneten bis zum September in die Ferien. So notwendig und wünschenswert diese sind, sollten sie von den Parlamentariern zum Nachdenken genutzt werden. Auch und gerade vom ersten Mann unter den Lichtenberger Gewählten, hatte doch gerade er sich in der nunmehr 14. Tagung der Kommunalvertretung gegen die Schatten auch seiner jüngsten Entscheidungen zu wehren.

Mit einer gerade noch vorhandenen Beschlußfähigkeit (57 von 110 Bezirksverordneten) war von Vertretern der SPD, CDU und FDP in der 13. Tagung der BW am 19. Juni u. a. die Rückbenennung der Straße der Befreiung in Alt-Friedrichsfelde durchgepeitscht worden. Einen

Monat nach dem auch international beachteten hauptstädtischen Provinzskandal sah sich Kubier mit Protesten gegen seine Amtsführung konfrontiert. Die Fraktionen von Bündnis 90, PDS und Grüne Liste/ Arche/DFF in Lichtenberg kritisierten z. B. die damalige ungenügende Einhaltung der Geschäftsordnung. So seien Stimmen unausgezählt geblieben und die Beschlußfähigkeit nicht überprüft worden.

Der Bonus, den der Beobachter einem erst wenige Monate amtierenden Vorsteher zuzugestehen geneigt war, verflüchtigte sich aber schnell, hörte man Dr. Küblers Rechtfertigungen. Er nahm für sich, in Anspruch, von seinem Podium „hier oben nicht zu sehen, ob einer dreimal spricht“, obwohl die Geschäftsordnung doch nur zweimalige Wortmeldungen gestattet. Ein Blick ins Protokoll der skandalösen Bezirksverordnetentagung vom

Juni mag Dr. Kubier zeigen: Während er bei Anträgen z. B. des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Rolf Fricke durchaus bis zwei und mehr zählen konnte, wies er Dr. Hans Ansorg vom Bündnis 90 schon im ersten Ansatz zurecht.

Die (nur?) rechnerische Unbedarftheit hat Methode. Während Bürgermeister Christian Kind (SPD) sich vor einer genauen Information über bei ihm inzwischen eingegangenen Meinungen zur Straßenschilderstürmerei gegenüber den Bezirksverordneten schlechthin drückte, spielte Bezirksvorsteher Kubier die ihm vorgelegten Schreiben auf insgesamt „neun von Einzelpersonen und auch Verbänden“ herunter. Die PDS übergab ihm deshalb eine Liste von weiteren (vorerst) 1140 im gesamten Bundesgebiet geleisteten Unterschriften gegen die Umbenennung der Straße der Befreiung. Schon vor dem BW-Beschluß vom

Juni 1991 lagen über 2 000 solcher Stimmen gegenüber ca. 1000 Rückbenennungsbefürwortungen vor. Dazu kommen noch die durchaus nicht unerheblichen Einzelstimmen von - wie der Bezirksverordnete Dr. Thomas Gärtig mitteilte - auch US- amerikanischen Unternehmern, die vorerst wegen der „überideologisierten Unsicherheit“ in Lichtenberg noch nicht investieren möchten.

Das alles sollte zum Nachrechnen und Nachdenken nicht nur bei Dr. Kubier führen und, wie der Vorsitzende des Lichtenberger Straßen- und Denkmalsumbenennungsausschusses, Dr. Bernd Ihme (PDS), forderte, reichen, „sich zu besinnen und den Beschluß“ bezüglich der Umbenennung der Straße der Befreiung „zurückzunehmen, neu zu verhandeln und einer vernünftigen Lösung zuzuführen“.

JOACHIM F'AMPEL

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