nd-aktuell.de / 19.07.1991 / Brandenburg / Seite 10

„Großflughafen wie in Chicago“

(ADN). Ein neues Luftverkehrskonzept für Berlin hält Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau für dringend geboten. Mit dem Beschluß des Bundestages zur Verlegung des Parlaments- und Regierungsitzes seien „sehr schnelle Entscheidungen“ notwendig, damit ein entsprechender Vorlauf gewährleistet werden könne. Im vergangenen Jahr seien 8,7 Millionen Passagiere abgefertigt worden. Wie Ruhnau in einem ADN-Gespräch sagte, muß beispielsweise die Flughafenstruktur „in Volumen und Qualitätsstandard“ rasch verändert werden, da hier „in Kürze die 10-Millionen-Grenze erreicht“ wird.

Bis zum Ende des Jahrzehnts erwartet der Vorstandsvorsitzende eine Verdopplung des Passagieraufkommens. Da die drei bisherigen Flughäfen diesen Ansturm

nicht bewältigen könnten, brauche Berlin - zumal als Bundeshauptstadt - dringend einen neuen Großflughafen „in der Größenordnung von Chicago“. Doch müsse eine gute Einbindung in das Fernverkehrsnetz „vor allem der Eisenbahn“ gewährleistet werden. Ruhnau plädierte nachdrücklich dafür, Kurzstrecken „vom Himmel herunter“ zu holen.

Bis zur Fertigstellung des neuen Großflughafens regte er ein Drei-Phasen-Modell an. Danach bestünde in der ersten Stufe eine Arbeitsteilung zwischen den bereits bestehenden drei Flughäfen, wobei Propeller-Maschinen nach Tempelhof und Charter-Maschinen nach Schönefeld gehen könnten. Diese Teilung wäre „innerhalb von vier bis sechs Wochen möglich“. In einer zweiten Stufe müßte Schöne-

feld ausgebaut werden, um auch schweren Maschinen im Interkontinental-Verkehr für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren die Landung zu ermöglichen. Parallel dazu verliefe die dritte Etappe mit dem Bau eines Großflughafens beispielsweise in Sperenberg.

Nach Ruhnaus Überzeugung ist ein solches Projekt für die Bundeshauptstadt unabdingbar, da schon in absehbarer Zeit die Reisedichte enorm steigen werde. Die Reise-Industrie ist die stärkste Wirtschaftsbranche, betonte der Lufthansa-Chef. Mit dem Hauptstadtbeschluß im Parlament sei nicht nur eine Forderung Berlins erfüllt worden, sondern die Stadt müsse sich „jetzt dem Anspruch stellen, politisches Zentrum Deutschlands zu werden“.