nd-aktuell.de / 25.09.1991 / Politik / Seite 5

Da denken Sie gewiß auch an die Fraueninternationale?

Sicher, wir haben Kontakte mit Frauen in den verschiedenen Ländern Osteuropas hergestellt, damit sie ihre eigenen Organisationen bilden können. Denn es ist notwendig, die Frauen für den Demokratisierungsprozeß zu engagieren und auch dafür, daß die Marktwirtschaften eine soziale Dimension erhalten. Denn wenn die Frauen in diesen Ländern etwas hatten, dann war es Kinderbetreung und das Recht auf Arbeit. Und das, so denke ich, sollten sie auch behalten. Das Pendel sollte nun nicht nach der anderen Seite ausschlagen siehe die Debatten über Abtreibung in Polen.

Die Sozialdemokratie hat es allerdings ziemlich schwer in Osteuropa - was sind die Ursachen?

Das ist nicht so verwunderlich. Denn, was ereignete sich: Alle diese Länder wurden ja Satellitenstaaten der Sowjetunion, und man tat

alles, die sozialdemokratische Bewegung zu erdrosseln, viele ihrer Anhänger wurden verfolgt, saßen im Gefängnis. Zum anderen beinhaltete die als sozialistisch firmierte Ideologie ja auch die Diktatur, und so ist es nicht so verwunderlich, daß viele Menschen in den Oststaaten alles, was sich sozialistisch oder sozial nennt, mit Abstand betrachten. Auch wußte man offensichtlich zuwenig, wofür sozialdemokratische Parteien einstehen und was demokratischer Sozialismus bedeutet und - was Konservatismus oder Liberalismus wirklich ist. Übrigens: Als schwedischer Handelsminister habe ich gesehen, daß viele der ökonomischen Reformprogramme in Osteuropa sehr „hart“ sind, und das kann soziale Unruhe schaffen.