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  • Kultur
  • Peter Schreier dirigierte Rundfunkkonzert im Berliner Schauspielhaus

Händeis „Acis und Galathea“ in einer Mozart-Adaption

  • Lesedauer: 3 Min.

Händel im Mozart-Jahr: Bekannt ist die liebevolle Verehrung, die der Salzburger Meister der Musik Bachs und auch Händeis entgegenbrachte. Spuren der Beschäftigung mit dieser „alten“ Kunst finden sich in seinem eigenen sinfonischen Schaffen. Dem aufklärerisch gesinnten Diplomaten und Freund Baron van Swieten vor allem hatten die Wiener Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven die das eigene Schaffen wesentlich anregende Kenntnis der Altmeister aus Leipzig und Halle zu danken. Und für Konzerte, die der Baron in Wien veranstaltete, ließ er sich von Mozart Händeische Vokalsinfonik nach dem Geschmack der Zeit einrichten.

So entstanden in den letzten Lebensiahren Mozarts Bearbeitungen

von „Acis und Galathea“, vom „Messias“, dem „Alexanderfest“ und der „Cäcilien-Ode“. Der Komponist hatte dabei die Aufführungsmöglichkeiten im Hause van Swietens zu berücksichtigen und sorgte für Ergänzungen der Partituren, vor allem in den Bläsern, im orchestrierten Continuo. Van Swieten steuerte die deutschen Textübertragungen bei. Diese Bearbeitungen erfreuten sich im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit. Aus heutiger Sicht stehen sie in vieler Hinsicht zu Charakter und Klangbild der Händeischen Kunst quer. Georg Knepler nennt sie Adaptionen an den Zeitgeschmack, dabei nicht mit überlegener Hand verbessert.

Dennoch entbehrt diese Händel-Musik aus Mozarts Händen auch

für heutiges Hören nicht des Reizes. Was da an Klarheit und „Charakter“ der Originale verlorengeht, wird ersetzt durch souveränes Spielen mit den Möglichkeiten klassischen orchestralen Musizierens. Unter einem Künstler wie Peter Schreier, der als Sänger wie als Dirigent sich dem Wesen Händelscher wie Mozartscher Kunst nahe fühlt, ist besondere Kompetenz zu erwarten.

Im Berliner Schauspielhaus brachte Schreier während der Berliner Festwochen mit dem Rundfunkchor und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Händeis Pastorale „Acis und Galathea“ in Mozarts Bearbeitung zur Aufführung. Das musikalische Spiel um das antike Liebespaar mit seiner lyrischen Schönheit im Melodischen,

seiner dramatischen und mit Gluckscher Strenge gestalteten Tragik im zweiten Teil, seinen gro-ßen Chorpartien, machte imponierenden Eindruck, zumal Schreier es verstand, das Ganze aufs Finale zu mit sich verdichtender Intensität der Darstellung anzulegen. Prachtvoll unterstützte ihn dabei der auch hier wieder vorzügliche Chor, händelerfahren seit Helmut Koch, klangschön und intensiv in jedem Moment. Das Rundfunk-Orchester lieferte dazu die zuverlässige instrumentale Basis, und in den Bläsersätzen von Mozart gab's bei Blech wie Holz liebevoll-gediegenes Solo-Spiel.

Ein wenig eng in der Intonation, blieb Ute Selbig als Nymphe Galathea den Händel-Koloraturen gleichwohl nichts schuldig. Der Te-

nor Ralph Eschrig als Schäfer Acis wußte sich dem im Vergleich zum Original Händel weicheren, auch verspielteren Klangbild mit Geschick, wenn auch nicht ohne Anstrengung, einzufügen. Solide, mit einigem Flackern in der Stimme, sang Sabine Brohm die Sopranpartie des Hirten-Freundes Dämon. Überragend im Solistenquartett: Rene 1 Pape, der so erfolgreiche Salzburger Sarastro, als mächtig Koloraturen grollender Riese Polyphem.

Unter Schreiers sicherer und genauer Führung erhielt Mozarts Händel-Adaption solcherart klanglich schön ausgewogenes, dramatisch akzentuiertes Profil, Kraft und Anmut. Der Applaus war denn auch überaus herzlich.

HANSJURGEN SCHAEFER

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