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  • Politik
  • Leipziger Arzneimittelwerk sucht seinen „Marktplatz“ mit neuem Slogan

Der Storch ist wieder da

  • Manfred J?ge
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer in Drogerien, Apotheken oder Fachgeschäften gründlich sucht, der wird auch die Haut- und Babypflegeprodukte der ELASAN-Serie finden können. „Der Storch ist wieder da“ heißt der Slogan der Leipziger Arzneimittelwerk GmbH, mit dem man den Kunden keinen alten Hut, sondern ein gutes, seit zweieinhalb Jahrzehnten bei Müttern der ehemaligen DDR bekanntes Erzeugnis verspricht. Hat das Leipziger Unternehmen wieder den richtigen Platz auf dem äußerst engen Markt der Kosmetik oder Phamazeutika gefunden?

Vor der Wende war die ELA-SAN-Kinderpflegeserie ein Renner. In Krankenhäusern, Kinderkliniken- und -tagesstätten gab es kaum etwas anderes. Das Werk schaffte seine Inlandsaufgaben nicht, weil die 1968 als Staatsauftrag entwickelte Serie auch „zweckentfremdet“ - von Erwachsenen - genutzt worden war. Rolf Gürtzsch, Geschäftsführer der GmbH, kam auf das Problem der Zeit 1989/90 zu sprechen. „Wir produzierten, konnten aber kaum etwas verkaufen, weil der Großund Fachhandel zerschlagen waren.“ Anfrage an westdeutsche Händler zwecks Listung fanden kaum Beachtung. Was vor der Währungsunion akzeptiert wurde, erwies sich danach als Flop. Wenn sich Ostgemachtes irgendwie behaupten wollte, mußte es das Feinste vom Feinsten sein, Top-Qualitäten aufweisen, im Aussehen und mit der Verpackung Westniveau erreichen und vor allem billig sein. „Wir waren weg von der Bildfläche im Osten. Erst als sich Politiker bequemten, für hiesige Produkte zu werben, kamen wir auch in

Schwung“, beschrieb Rolf Gürtzsch die Situation.

In der Stunde Null präsent zu sein, war trotzdem ein Ziel im Unternehmenskonzept des Leipziger Arzneimittelwerkes. Man fuhr volles Risiko, wie der Geschäftsführer sagte. Es wurde ein kaufmännischer Außendienst zur Bearbeitung des Drogeriemarktes zwischen Rostock und Suhl eingerichtet. Wie eine Stichumfrage ergab, besitzt der Markenname ELASAN im Osten einen ungestützten Bekanntheitsgrad von etwa 90 Prozent.

Das Unternehmen veränderte das Out fit der Pflegeserie ebenso wie die Qualität durch eine grundsätzliche Überarbeitung der Rezepturen. Das Ergebnis klingt vielversprechend: Von Monat zu Monat stieg der Umsatz. Das Unternehmen schreibt schwarze Zahlen. Westdeutsche Drogerie-Großhändler wie Schlecker oder Roßmann haben nun die Serie speziell für die ostdeutschen Verbraucher gelistet. Das alles kostet ersteinmal etwas. Allein für den Werbeetat wurden 1,3 Millionen Mark eingesetzt.

Die Leipziger Arzneimittelwerker sammelten noch weitere Erfahrungen mit der Marktwirtschaft. Die wichtigste heißt Schlankmachen. Sieben Produktionsstätten wurden geschlossen, so daß sich alles in Leipzig-Paunsdorf, im 1924 errichteten Stammhaus des Werkes konzentriert. Natürlich mußte dabei auch Personal reduziert werden. Von etwa 600 Leuten haben zur Zeit noch 275 einen Arbeitsplatz. Die Geschäftsleitung fand mit der Arbeitnehmerseite sozialverträgliche Lösungen, wie Rolf Gürtzsch versicherte. Schließlich gehörte auch die Konzentration

von Investitionen sowie die Spezialisierung der Erzeugnisse zur Gesundung des Betriebes. Anstatt 600 Artikel werden noch etwa 100 hergestellt, wobei verschreibungspflichtige und erstattungsfähige dermatologische Spezialpräparate sowie Rheuma- und Venenmittel den Schwerpunkt der Produktionspalette bilden.

„Trotz der bisher erzielten Ergebnisse haben wir nicht die Illusion, über'm Berg zu sein. Wir wissen, daß wir noch am seidenen Faden hängen“, sagte Geschäftsführer Gürtzsch. Eines der größten Probleme, mit denen sich der 40jährige herumschlägt, sind die von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen GMP-Vorschriften, die sogenannten guten Manieren in der Produktion. Bei den Erzeugnissen sieht der Geschäftsführer keine Probleme. Am Produktionsumfeld hingegen muß sich noch einiges ändern. Und dies geschieht gegenwärtig mit der Rekonstruktion des Altbaus der Firma. Auf Dauer bringt aber nur eine neue Produktionsstätte eine Lösung. Deshalb hofft der Geschäftsführer, daß der künftige Käufer des Betriebes mit diesen Vorstellungen mitgeht.

Stichwort Privatisierung. Noch im Oktober könnte dies vollzogen werden. Man steht mit dem Penaten-Unternehmen in Kontakt, das seit 1986 zum US-Konzern Johnsen & Johnsen gehört, sagte der Geschäftsführer. Zugvogel für dieses „Geschäft“ ist allemal der ELA-SAN-Storch, der auf den enger gewordenen ostdeutschen Markt wieder etwas darstellt.

MANFRED JAGER

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