Konföderation (Staatenbund) oder Föderation (Bundesstaat)? Die Frage scheint insbesondere für multinationale Staaten wieder aktuell. Auf dem Weg zur bürgerlichen Ära hatte sich die Form der Föderation weitgehend durchgesetzt, vor allem im wirtschaftlichen Interesse des Bürgertums. Die Gliedstaaten einer Föderation sind trotz aller autonomen Rechte und Kompetenzen den Föderationsorganen eindeutig untergeordnet. Sowohl bürgerliche als auch nicht wenige marxistische Staatsrechtler kamen zu der Auffassung, daß dem Bundesstaat gegenüber der Konföderation, die es in früheren Zeiten häufig gab, der Vorzug zu geben sei. Konföderationen - glaubten sie - könnten keinen dauerhaften Charakter haben.
Nun aber erfährt der Gedanke der Konföderation eine Neubelebung - im Zusammenhang mit den Entwicklungen in der Sowjetunion, in Jugoslawien aber auch in Spanien und Belgien.
In einer Konföderation liegt die Souveränität bei den Teilstaaten, deren innere Gesetzgebung unabhängig ist und die selbst auch die internationalen Beziehungen un-
terhalten. Sonderregelungen werden von den beteiligten Staaten in Völkerrechtsverträgen festgelegt. Zumeist mit Hilfe gemeinsamer beratender Organe werden in lebenswichtigen Fragen einheitliche Standpunkte entwickelt, auf der Grundlage der Einmütigkeit findet man zu gemeinsamen Beschlüssen.
Die Sowjetunion war im Gegensatz zu Behauptungen nicht weniger ihrer Staatsrechtler schon seit der Verfassung des Jahres 1922 (aber auch 1936) Föderation und Konföderation zugleich. Neben der Union waren auch die Unionsrepubliken souveräne Staaten (wenn auch nur auf dem Papier), die ihre eigenen Außenministerien und das Recht hatten, diplomatische Vertretungen zu unterhalten. Sie besa-ßen internationale Vertragsfähigkeit und hätten UNO-Mitglieder werden können. Letztere Möglichkeit wurde zwar tatsächlich nur der Ukraine und Belorussland eingeräumt, aber die Unionsverfassung hätte alle Republiken und die Union berechtigt, UNO-Gründungsmitglied zu werden. Gescheitert ist dies am Widerstand der USA und Großbritanniens.
Nach dem August-Putschversuch nimmt in der ehemaligen Sowjetunion eine reine Konföderation Gestalt an. Entsprechend der neuen Konzeption, wie sie in der vergangenen Woche im Staatsrat vereinbart wurde, soll die Souveränität der Republiken dominieren. Die Macht der Union wird - im Erfolgsfall - durch den Konsens der Präsidenten der Republiken und der Union verkörpert. Der Unionspräsident könnte seine Vollmachten vom gemeinsamen Willen der Republiken (also nur in bestimmten Fragen) ableiten. Zu seinen Kompetenzen könnten die Verwaltung der Kernwaffen (auch dies unter Kontrolle der Republikspräsidenten), die Armeereform (in Richtung einer relativ kleinen Berufsarmee) und die Wirtschaftskoordinierung gehören. Die Bildung einer „Wirtschaftsregierung“ war und ist überhaupt die Hauptaufgabe des konföderativen Dachorgans, um die gewachsenen Wirtschaftsverbindungen aufrechtzuerhalten und zu verbessern.
Eine solche Wirtschaftsunion bietet die Möglichkeit zum Beitritt oder zur engen Zusammenarbeit
auch jenen Republiken, die politisch und staatsrechtlich andere Wege gegangen sind oder zu gehen beabsichtigen, ökonomisch jedoch nach wie vor mit der ehemaligen UdSSR verflochten sind. In solcher Gestalt (als Konföderation) könnte die Union durchaus auch Anziehungskraft auf jene ehemals „realsozialistischen“ Länder ausüben, die alle unter dem Zusammenbruch des sowjetischen Marktes leiden und einen wichtigen Teil ihres Au-ßenhandels mit der sowjetischen Konföderation gestalten wollen. Damit wären die letzten 40 Jahre nicht völlig vergeblich gewesen.
Ähnlich könnte sich auch Jugoslawien zur Konföderation entwickeln. Mazedonien und Bosnien-Herzegowina wünschen das ohnehin. Sollte es noch nicht zu spät dafür sein, auch Kroatien und Slowenien - als souveräne Staaten. Die Wirtschaftsbeziehungen wären das reale Bindeglied, zumal auch Kroatien und Slowenien, wie die anderen osteuropäischen Staaten, real nur in vielen Jahren Mitglied der EG werden könnten, die selbst eine Konföderation ist und das für Jahrzehnte bleiben wird.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/333601.konfoederationen-haben-wieder-eine-zukunft.html