nd-aktuell.de / 23.12.1991 / Politik / Seite 1

Schöne Worte, aber keine Frequenz

Potsdam (ND-Frank Sturm). Am Samstagabend hatten rund 50 Freunde und Förderer des Jugendradios ein Gebäude des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB) auf dem DEFA-Gelände besetzt. Mit dieser Aktion forderten sie Antwort, wieso DT 64 in Brandenburg keine Frequenz bekommt - trotz eindeutiger Zusagen der SPD-Bundestagsfraktion und des Landes Brandenburg, für den Erhalt des Senders über den 1. Januar 1992 hinaus zu sorgen, falls sich ein weiteres Land dazu bereitfinde. Dieser Fall ist mit der „Park-Lösung“ beim Mitteldeutschen Rundfunk gegeben. Sie brachten ihre Empörung zum Ausdruck, daß die Brandenburgische SPD zwar „wprtreiche Argumentation und Solidaritätserklärungen“ für das Jugendradio übrig habe, aber leider keine Frequenz.

Der Hörfunkdirektor des ORB, Gerhard Hirschfeld, verwies auf das Bemühen des Brandenburgischen Regierungssprechers Gerhard Thomas, sich beim Berliner Frequenzvergeber für die Vergabe-

wäre der ORB bereit, eine noch zu definierende Zuständigkeit zu übernehmen. Womit die Verantwortung wieder ein Stück ins Undefinierbare abdelegiert war.

Im Verlaufe der Nacht stellte sich auch der SPD-Landesvorsitzende Steffen Reiche im besetzten Gebäude der Kritik der Besetzer, aber mehr als allgemeine Versicherungen der Sympathie waren weder von ihm noch von anderen Verhandlungspartnern zu vernehmen.

Am Sonntagnachmittag schenkte dann Hörfunkdirektor Hirschfeld den jungen Leuten reinen Wein ein: Der ORB will ab 1. Januar 1992 ein eigenständiges Jugendprogramm ohne Zusammenarbeit mit dem SFB produzieren. Dies wurde notwendig, da der Brandenburger Sender bis zum Donnerstag offiziell nichts von einer Weiterführung des Jugendrädios durch den MDR erfahren habe. Hirschfeld versprach, sich einzusetzen. Und bot dem MDR einen Austausch von „Programmfenstern“ mit DT 64 und dem dann existierenden ORB Jugendprogramm an.

Verhandlungsführer von einem ersten Kompromiß. So sähen sie den Versuch des ORB, sich für den Erhalt des Jugendradios zumindest in Berlin einzusetzen. Nun seien Regierungssprecher Thomas und der MDR gefordert.

Es zeichnet sich ab, daß ein überregionaler Fortbestand von DT 64 nicht mehr zustande kommt. Genau dies ist auch der Grund, weshalb die Besetzer entschlossen sind, ihre Aktion fortzuführen. Sie fordern die SPD Brandenburgs weiterhin auf, sich für eine Brandenburger Frequenz stark zu machen. In einem Telefongespräch mit Herrn Thomas bestritt dieser aber, sich jemals für den Jugendsender eingesetzt zu haben. Die Freunde bezeichneten dies als „totale Verarschung“ und forderten die sofortige Anwesenheit des Regierungssprechers und von Ministerpräsident Stolpe, der in Urlaub ist.

Am Sonntag wurde bekannt, daß Prominente mit einer Annoncenkampagne zur „Rettung von DT 64 in letzter Minute“ aufrufen wollen.