nd-aktuell.de / 13.02.1992 / Kommentare / Seite 2

CDU geht mit trotzigem Antrag in den Bundestag 1

In zwei Fürstentümern der Provinz werden demnächst die Karten neu gemischt - Wahlen in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. In beiden Ländern scheint der Ausgang klar. Schleswig für die SPD, Württemberg bleibt der CDU erhalten, im schlechtesten Fall in einer Koalition. Trotzdem legt die Gesamt-CDU trotzig noch ein paar Kohlen ins Feuer. Sie bringt einen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes in den Bundestag, der keine Chance hat, durchzukommen.

Es geht der CDU um Artikel 16 des Grundgesetzes, der bisher Ausländern das uneingeschränkte Recht auf politisches Asyl zusagt. Der Satz soll durch zwei Ergänzungen vieldeutbar werden. „Asylrecht genießt nicht, wer aus einem Staat einreist, in dem, er nicht der Gefahr ausgesetzt ist, politisch verfolgt oder in einen Staat abgeschoben zu werden, in dem ; ihm politische Verfolgung droht. .“, steht im

Welche Staaten politisch verfolgen, das wird in der Bundesrepublik bestimmt. Die Maßstäbe dafür zeigte im Vormonat eine Bundestagsdebatte über Mißachtung der Menschenrechte in der Türkei. Von Regierungsseite wurden zwar Verletzungen der Menschenrechte zugegeben. Gleichzeitig bestritt der zuständige Staatssekretär, daß in der Türkei Menschen aus politischen Gründen inhaftiert seien. Das seien Terroristen, legte er fest. Trotz Kurdenverfolgung sieht die Regierung im NATO-Partner ein befreundetes Land. So dürfte die Türkei Platz in der Liste der Länder finden, deren Bewohner kein Recht auf Asyl in Deutschland bekommen würden.

Der zweite Zusatz im CDU-Antrag stimmt auf die negativen Seiten des Schengener Abkommens ein. Danach dürfen Asylbewerber, die bereits in einem anderen der bisher acht Mitgliedsländer von Schengen abgewiesen wurden, auch in den anderen Staaten keinen Antrag mehr stellen. Bisher widerspricht dieser Passus von Schengen dem Grundgesetz.

Die drei Oppositionsparteien SPD, PDS und Bündnis 90/Grüne

stimmen gegen “den CDU-Antrag. Auch die Abgeordneten des Koalitionspartners FDP werden ihn ablehnen. Graf Lambsdorff sagte dazu, daß man mit Grundgesetzänderungen keinem Betroffenen helfe.

Mit solcher Wahlvorbereitung zieht die CDU ihre Schlußfolgerungen aus den Bremer Wahlen im vorigen Herbst. Damals war die DVU mit ausländerfeindlichen Parolen in das Bremer Landesparlament eingezogen. Das vorangegangene nachrichtenarme Sommerloch war von einer heftigen Debatte über Ausländer bestimmt gewesen. Die CDU hatte schon zu dieser Zeit eingeschränktes Asylrecht verlangt. Bei den Wahlen in Bremen konnte die CDU etwa sieben Prozent Stimmen zulegen. Wenn sie dies heute ihrer Asylpolitik auf das Konto schreiben, dann verdrängen die Christdemokraten-die Bremer Wahlen von ,1986, Damals hatte, ^die CDU mit ihremjpj.a35.en Spitzenkandidaten'Perschau (heute Innenminister in Sachsen-Anhalt) ein für ihre Verhältnisse blamables Wahlergebnis erzielt (23,7 Prozent).

Zur Betrachtung der vorjährigen Bremer Wahl zurückgekehrt, mußte wohl hinzugefügt werden, daß die Bremer SPD-Spitze ebenfalls Asylschlagzeilen machte. Bürgermeister Wedemeier hat gar die ganze Debatte des vorigen Sommers erst losgetreten. Im Widerspruch zum Grundgesetz nahm er voraus, was heute die CDU verlangt. Polen, Rumänen und Bulgaren ließ Wedemeier aus dem Stadtstaat schaffen, weil in den drei Ländern nicht mehr politisch verfolgt werde. Die SPD verlor in Bremen 12 Prozent Wählerstimmen und ihre absolute Mehrheit. Die Grünen wiederum legten mit ausländerfreundlicher Politik in Bremen zu. Demnach war mit der Losung „Ausländer raus“ lediglich der rechte Rand zu gewinnen, nicht das von der CDU gesuchte Wahlvolk.

Die nun von der CDU erneut forcierte Debatte dürfte höchstens diesen rechten Rand vergrößern. Ob die CDU-Spitze wirklich auf Teutschtum bauen will?