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  • Kultur
  • Premiere in der Werkstatt des Schiller-Theaters

In der Schmuddelküche

  • Lesedauer: 2 Min.

Zunächst einmal vergeht einem der Appetit auf Pizza. In der sozialkritischen Farce „Dirty Dishes“ (Dreckiges Geschirr) von Nick Whitby, einem Kenner des Milieus, wird drastisch vor Augen geführt, wie „hygienisch“ es in der Küche einer auf Nepp orientierten Pizzeria zuzugehen pflegt. Das Personal hier - rechtlose Einwanderer aus Kolumbien, Kuba oder Polen. Die 'Ärmsten der Armen sind froh, überhaupt angestellt zu sein. Ihr Sinn für Reinlichkeit ist in mörderisch-stressiger Arbeit längst verkümmert. Eine kleine Sehnsucht hat sich jeder bewahrt. Thema Nr.l beherrscht die Sinne. Beim Rauschgift scheiden sich die Geister. Man versucht zu überleben.

In der als Box-Arena eingerichteten Werkstatt des Berliner Schiller-Theaters hat Katja Paryla das aus assoziativen Dialogen gebastelte Stück lärmig und knallig, die Aktionen theatralisch ins Extrem treibend inszeniert. Anders wäre das Thema schwerlich zu verkaufen gewesen.. Kuriose Tanz-Einlagen nach Power-Rock-Sound (musikalische Einrichtung Joe Bauer) in der Schmuddelküche (Bühnen-

bild Arno Breuers) erzählen von der menschenunwürdigen Situation und reichen die Story hoch. Die sich trotz scheinbarer Zustandsschilderung immerhin begibt:

Ein Manager (Sebastian Koch), mal verständnisvoller James, mal geschäftshungriger Charly (beide Figuren fern erinnernd an Shen Te-Shui Ta aus Brechts „Der gut» Mensch von Sezuan“) manipuliert seine Arbeitskräfte. Er droht mit einer Razzia, erpreßt eine Doppelschicht. Ausbeutung pur. Die diese geschundenen Kreaturen aus dem Ausland freilich noch immer nicht als gottgewollte Ordnung akzeptieren wollen. Sie bäumen sich auf und bringen Charly um. Es war ein Unfall, rechtfertigen sie sich. Unnötige Gewissensbisse. Denn siehe, unschuldig und fidel kommt James vom Schäferstündchen mit der willfährigen neuen Kellnerin Diane (Wiebke Frost). Die Gewinnmacher wissen halt zu leben.

Deshalb auch sollte man sich die Pizza unbeirrt schmecken lassen. Sofern man sie bezahlen kann.

GERHARD EBERT

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