Worte, nichts als Worte?

Von Peter Hoff

  • Lesedauer: 4 Min.
Frau Schmidt will sparen. Frau Schmidt ist überhaupt eine ordentliche Frau, und nichts ist ihr mehr zuwider als Verschwendung. Und da so viele Zeitgenossen noch immer das Geld zum Fenster rauswerfen, will Frau Schmidt die rare Kohle besser zusammenhalten. Frau Ulla Schmidt ist nämlich Gesundheits- und Sozialexpertin. Das kann man nicht werden, das ist man, als Mitglied einer unserer Volksparteien. Volksparteien sind alle unsere Parteien, außer den rechts- oder linksextremen, also alle Parteien der Mitte, und die Mitte ist eben überall, außer am rechten oder linken Rand des Parteienspektrums. Rechte Partei will keine sein, die Mitte füllt inzwischen das gesamte Feld. Ob CDU, ob SPD, ob FDP, ob CSU, ob Grüne - alle, alle sind sie in der Mitte ansässig. Sie könnten sich alle zusammenschließen zu jener Partei, die schon vor mehr als vierzig Jahren der Kabarettist Werner Finck anregte: die »Partei der radikalen Mitte zur Beförderung des gemäßigten Fortschritts«! Halt, Stopp, schlimmer Fehler: »radikal« muss raus aus dem Parteiennamen, radikal ist heute keiner mehr, es sei denn, er wird von seinen Gegnern radikal genannt. Dann aber auch wieder mit der Richtungszuweisung »links« oder »rechts«. Frau Ministerin Schmidt besetzt mit ihrer Partei die etwas linkere Mitte, denn Frau Schmidt ist für Reformen. Wie der Herr Schröder, ihr Parteifreund und Chef. Ihren »Genossen« nennt sie ihn nur im vertrauten Kreis. Nur das gegnerische Parteienbündnis spricht noch von »Genossen«, und das ist wo noch kein Schimpfwort, so doch zumindest eine ehrenrührige Bezeichnung für einen demokratischen Politiker.
»Politiker« wurden früher ganz einfach »Funktionäre« genannt, aber Funktionär ist heute eine offenkundige Verbalinjurie gegenüber einem freien Politiker eines demokratischen Landes. Denn »Funktionär« - das hieß, dass der entsprechende Parteiarbeiter eine Funktion im Apparat übertragen bekommen hatte, die er mit allen Kräften wahrzunehmen und die damit verbundenen Aufgaben er zu lösen hatte. Am Ende der Wahlperiode wurde abgerechnet.
Frau Schmidt braucht nicht zu fürchten, dass ihr Chef eine Inventur in ihrem Verantwortungsbereich anordnet und sie über die mangelnde Wahrnehmung ihrer Funktion politisch stolpern könnte. Wenn sie sich nicht bei unsauberen Geschäften mit der Pharmaindustrie erwischen lässt oder bei fehlerhafter Reisekostenabrechnung, hat sie nichts zu fürchten. Da hat ihre Partei auch im Fall des Wahlverlustes immer noch ein warmes und trockenes Plätzchen für sie. Anders sieht es aus bei Menschen, die von ihrem Arbeitgeber freigesetzt wurden. Deren Freiheit ist nicht unbegrenzt. Sie dürfen von der freiheitlich demokratischen Gesellschaft durchaus in die Pflicht genommen und ihnen dürfen Arbeiten übertragen werden, denen sie sich nicht verweigern dürfen, weil sie sonst Sanktionen befürchten müssen, beispielsweise die Kürzung oder die Streichung der ihnen gewährten Beihilfen. Da gibt es Einschnitte, die bestenfalls umstritten sein dürfen. Wir merken: Es gibt Begriffe, die sind positiv besetzt, wie Reform, Sparen, Freisetzen, und nicht zuletzt Politiker und Experte. Und es gibt solche, die man nur mit Widerwillen in den Mund nimmt oder zu Papier bringt. Funktionär oder Verweigerer beispielsweise. Wer wird von Kürzung sprechen, wenn sich das Verfahren auch Reform nennen lässt, wer von Verkürzung der Rentenbezugszeit, wenn man auch eine Anhebung des Rentenalters dem mundtoten Wahlvolk verheißen kann!
Eben haben die Alliierten Irak befreit. Es war dies ein »Waffengang«, kein Massenschlachten, und es wurde mit chirurgischer Präzision operiert. Das riecht förmlich nach Karbol und peinlicher Sauberkeit. Damit kann sich jede deutsche Hausfrau beim Frühjahrsputz identifizieren! Der amerikanische Präsident hat beschlossen, am 1.Mai das Ende des Krieges zu verkünden. Früher wurden Kriege für beendet erklärt. Aber wer hat heute noch Zeit für Erklärungen, Mister President steht über solchen Dingen. Schließlich weiß er Gott an seiner Seite. Und die höhere Gerechtigkeit. Seine Gegner sind Schurken, ihre Länder in Kollektivschuld Schurkenstaaten. Die Vertreter des Saddam-Regimes werden vielleicht wie die afghanischen Taliban in Sammellagern außerhalb des Geltungsbereiches des US-amerikanischen Rechtes zusammengeführt. Ein Hundsfott, wer da zum Synonymwörterbuch greift und sich darin bestätigen lässt, dass sich »Sammeln« auch mit »Konzentrieren« übersetzen lässt. Konzentrationslager lassen sich unsere amerikanischen Freunde nicht nachsagen, nicht einmal auf der Kommunisteninsel Kuba. Aber in den Sammellagern Oranienburg und Dachau wurden zu Anfang der schrecklichen »tausend Jahre« die Gegner des Nazi-Regimes gesammelt und damit außerhalb der gültigen Rechtsordnung gestellt. Nein, das waren noch keine Mordfabriken. Und hätte es auch später kein Auschwitz gegeben - das Nazireich wäre nicht weniger ein Unrechtsregime gewesen.
Die USA sind auf dem Weg zum Unrechtsstaat, wir sind mit der »Reform« unserer Sozialgesetzgebung auf dem schlimmen Weg zu deren Abschaffung. Und wir haben im Zuge des »positiven Denkens« Sprachvorhänge gewebt, hinter denen sich all dies verbergen lässt. Der gefährlich Sprachbrei ist unsere mediale Alltagskost.
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