nd-aktuell.de / 29.04.2003 / Kultur

Ausnahmeschauspieler

Zum Tod von Wolfgang Dehler

F.-B. Habel
Was war das für ein Ausnahmeschauspieler! Von Wolfgang Dehler hatte man den Eindruck, dass er alles könnte: spielen, schreiben, singen, inszenieren. Er überzeugte als eleganter Lebemann ebenso wie als Narr, als gebrochener shakespearescher Held wie als Intrigant. Und was für pralle Volksfiguren konnte er spielen! Der bei Dresden 1936 geborene Wolfgang Dehler erlangte sein Schauspieldiplom 1958 in Leipzig. Dort probierte er sich aus, bevor er sich in den 60er Jahren bei Fritz Bennewitz in Weimar zu einem erstrangigen Protagonisten entwickelte. Seine Titelrolle in beiden Teilen des »Faust« schrieb hier Theatergeschichte. Dehlers Jahre am Dresdner Staatstheater 1967-79 waren wohl seine produktivsten. Wer ihn hier beispielsweise in Kirsts Inszenierung des Hacks-Stückes »Adam und Eva« als lieben Gott sah, ein bisschen schlitzohrig, weise und skeptisch zugleich, musste Gott für einen Dialektiker halten. Zwischendurch gehörte Wolfgang Dehler für kurze Zeit dem Fernsehensemble an, weil er sich hier ein breites Experimentierfeld erhoffte - ein Trugschluss. Er spielte große Rollen, blieb aber künstlerisch unterfordert. In den achtziger Jahren wurde Dehler, der unruhige Geist, ein Gastspielstar. Er spielte an der Berliner Volksbühne Friedrich Wolfs tragikomischen Helden »Koritke«, war König Lear in Meiningen, inszenierte Rolf Schneider in Weimar, und als wandlungsfähiger Chansonsänger erfüllte er den Milchmann Tewje an der Komischen Oper mit Leben. Kino und Fernsehen hatten meist die großen Nebenrollen für ihn, die er mit seiner kräftigen Statur immer mit echtem Komödiantentum ausfüllte. Wie herrlich böse war er beispielsweise als Müller Düker in »Die Gerechten von Kummerow«! Differenzierte Rollen spielte er in der »Polizeiruf«-Reihe, für die er auch Szenarien schrieb. Zu Beginn der 90er Jahre hatte die Liebe Wolfgang Dehler nach Brasilien verschlagen. Als er später für einige Monate jährlich zurückkehrte, hatte er »abgespeckt«, wirkte fast schmal und schien ein Sinnbild der veränderten Zeit zu sein. Er spielte in Fernsehserien, gastierte bei »Störtebeker« in Ralswiek und trat mit seinen gediegenen literarischen Programmen auf. Für Juni wurde er beispielsweise auf Schloss Weesenstein erwartet, doch in seiner Wahlheimat Rio de Janeiro ereilte den 66-Jährigen der Tod.