Erdöl fördern ohne OPEC

USA sichern strategische Reserven in Westafrika

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Zur Sicherung ihres enormen Ölbedarfs sind die Vereinigten Staaten auch in Westafrika aktiv. Dabei könnte der winzige Inselstaat São Tomé mit seinen neu entdeckten Ölvorkommen eine wichtige Rolle spielen. Von Vorteil erweist sich dabei auch, dass die meisten afrikanischen Ölstaaten der Ölfördererorganisation OPEC nicht angehören.

Auch in Westafrika gibt es Auseinandersetzungen um Ölvorkommen. Derzeit läuft etwa das Bieterverfahren für ein ausgedehntes Offshore-Gebiet im Meer zwischen Nigeria und der Republik São Tomé und Principe. Zwei Staaten, wie sie verschiedener kaum sein könnten: Während ersterer momentan auf dem Kontinent der mit Abstand bedeutsamste Ölförderer ist und auf der Weltrangliste immerhin Platz sechs einnimmt, stand die Ölgewinnung auf Sao Tomé bisher bei Null. Auch sonst gibt es große Unterschiede. Nigeria ist Afrikas bevölkerungsreichster Staat, sein kleiner Nachbar eine winzige Inselrepublik mit gerade einmal 160 000 Bewohnern.

Ölstaat São Tomé?

Der Koloss Nigeria hat sich in der jüngsten Vergangenheit auch immer wieder bemüht, den benachbarten Winzling mit den Brotkrümeln des zu erwartenden Ertrages abzuspeisen. Denn das zur Nutzung ausgeschriebene Gebiet ist zwischen beiden Ländern umstritten, der Grenzverlauf noch immer ungeklärt. Nigeria bot seinem kleinen Nachbarn an, dessen Teil faktisch zu kaufen. Sao Tomé aber lehnte ab. Auch wenn es verlockend schien, erhebliche Beträge zu bekommen, bevor überhaupt ein einziger Tropfen gefördert sein würde. Hintergrund ist das Bestreben, sich unabhängig als kleiner, aber strategisch wichtiger Ölförderer zu etablieren.
Nun ist eine Ertragsteilung im Verhältnis 60:40 vereinbart worden, der Kleinstaat wird also eine erhebliche Ölförderung starten. Auch auf der Insel selbst, nicht nur im Seegebiet rundum, gibt es vorerkundete Lagerstätten. Die Premierministerin von São Tomé, Maria das Neves, sucht dabei enge Zusammenarbeit mit den USA. Im Hoheitsgebiet des Kleinstaates werden also bald US-Firmen das schwarze Gold fördern; auch ein Tiefseehafen ist in Kooperation mit den USA geplant. So möchte die Regierungschefin die maroden Staatsfinanzen sanieren und der Inselrepublik einen Entwicklungsschub verleihen - die ehemalige portugiesische Kolonie gehört derzeit schließlich zu den ärmsten Ländern des Erdballs.
Für die Bush-Administration kommt das Angebot zur rechten Zeit. Schon vor dem Irak-Krieg galt der Ausbau der Förderung in Westafrika als strategisch wichtig. Denn die USA stellen zwar nur viereinhalb Prozent der Weltbevölkerung, verbrauchen aber fast ein Viertel der Energie - vor allem in Form fossiler Brennstoffen wie Öl und Erdgas. Selbst wenn nun die irakischen Riesenvorräte auf längere Zeit unter Kontrolle sein sollten, bleibt in der arabischen Ölregion noch immer das Restrisiko Saudi-Arabien, das manche Öl-Strategen für einen unsicheren Kantonisten halten. Und der Bedarf an Öl steigt zwischen Kalifornien und Florida beständig weiter.
In Nigeria teilen sich die US-Ölfirmen die Förderungsrechte mit den europäischen Ölriesen wie Shell und Total/Fina/ Elf, die Shevron-Texaco bisher auf den zweiten Platz verweisen konnten. Doch das Land wird momentan von neuen Unruhen erschüttert, die den Ölquell bereits um ein Drittel spärlicher sprudeln lassen. Wichtige Raffinerien sind außer Betrieb, verschiedene Anlagen in der Hand von Aufständischen. Selbst wenn es der Regierung gelingen sollte, die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen, bleibt das inhomogene Nigeria doch immer ein latenter Unruheherd. Mehrere andere Länder der Region stehen deshalb im Blickfeld der US-Amerikaner. In den meisten davon hat Washington immerhin schon einen Fuß in der Tür. Vor allem Angola ist in seinem Staatshaushalt weitgehend abhängig von den Ölexporten in die Vereinigten Staaten.
Bis zu 25 Prozent der US-amerikanischen Erdöl-Einfuhren könnten 2015 aus dem subsaharischen Afrika kommen, schätzen Experten. Schon jetzt steigen die Zahlen deutlich, und Präsident Bush hat nicht zuletzt bei einem Treffen mit mehreren Regierungschefs aus der Region Ende vergangenen Jahres seine Pläne unterstrichen, Afrika stärker zur Sicherung des US-Rohölbedarfs heranzuziehen. Zu unberechenbar ist die Lage in Nahost und auch im Ölstaat Venezuela unter der Chavez-Regierung. Elf Staaten kommen auf dem afrikanischen Kontinent in Betracht. In Nigeria, Angola oder Äquatorialguinea geht es um den Ausbau bereits bestehender Förderanlagen, in anderen sollen neu entdeckte Ressourcen erschlossen werden. Die politische Reputation der potenziellen Partner spielt dabei keine Rolle. Etliche (semi-)diktatorische Regimes könnten sich in Zukunft mit den Ölmillionen der Vereinigten Staaten wirtschaftlich stabilisieren. Der Blick fällt dabei nicht nur auf den Sudan, wo die Regierung in Khartum seit Jahrzehnten die christliche Bevölkerung im Süden unterdrückt. Auch Nigeria, wo gerade gewählt wurde, oder Angola sind keine Brutstätten von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten.

USA setzen sich fest

Gegenüber den 250 Millionen Barrel Öl Saudi-Arabiens nehmen sich die 60 Millionen Barrel, die im Golf von Guinea zwischen Nigeria und São Tomé verortet sind, zwar recht gering aus. Für die USA sind sie aber so wichtig, dass man bereits jetzt beginnt, afrikanische Staaten militärisch-infrastrukturell zu unterstützen. Die winzige Inselrepublik Sao Tomé und Principe beispielsweise mittels Patrouillenbooten für Zoll und Marine.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Umstand, dass die meisten afrikanischen Ölförderer wie Angola, Gabun, Äquatorialguinea, Kamerun und Kongo-Brazzaville nicht Mitglieder der OPEC sind - der Organisation, die durch Förderquoten weitgehend den Öl-Weltmarktpreis zu regulieren versucht. Neue Partner wie Sudan und Tschad hinzugenommen, wäre Afrika neben Nahost und Lateinamerika bald ein »Global Player« - ganz ohne das störende Selbstbewusstsein der OPEC-Staaten.
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