Mut und Unmut des Veränderns

Mitgliederbegehren läuft, Initiatoren wanken

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Zuckerbrot und Peitsche versucht die SPD-Führung die in Aufruhr geratene Basis wieder auf Kurs zu bringen. Bundeskanzler Gerhard Schröder will die Zustimmung zu seiner Agenda 2010 erzwingen, während Generalsekretär Olaf Scholz der Basis schmeichelt.

Immer wieder hat Schröder in der Vergangenheit die Vertrauensfrage gestellt. Und bisher immer mit dem gewünschten Ergebnis. Die Regierungsfähigkeit werde mit Zweifeln an seinem Programm »Agenda 2010« in Frage gestellt, machte der SPD-Chef am Montag schon vor Beginn der Beratungen der Vorstände von Partei und Bundestagsfraktion über den Leitantrag »Mut zur Veränderung« klar. »Wer etwas anderes beschließen oder durchsetzen will, der muss wissen, dass er die inhaltliche Grundlage für meine Arbeit entzieht und mich zu Konsequenzen zwingt.«
Unterdessen wandte sich Olaf Scholz in einem Schreiben an die Basis - freundlicher, als man dies dort vom Generalsekretär gewohnt ist. Er beschwört sie sich zu »erinnern, dass es immer die Einigkeit gewesen ist, die unsere Partei stark gemacht hat«. Dann »können wir Deutschlands Zukunft frei, sozial gerecht und solidarisch gestalten«. Schöne Worte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schröders harte Linie gilt. Die Grundlinie seiner Agenda könne »nicht in Frage gestellt werden«, machte der am Montag deutlich.
Der Partei fehlt es nicht an Mut. Ihr Unmut entzündet sich jedoch daran, wie diese nach Schröders Vorstellung aussehen soll. In einem »Manifest« formulierten baden-württembergische Funktionäre: »Alle Maßnahmen und Forderungen sind... danach zu prüfen, wer jeweils Gewinner und wer Verlierer von Reformen ist, wer wie belastet und wer wie entlastet wird.«
In dem am Montag nun von den Führungsgremien im Sinne Schröders beschlossenen Leitantrag werden die Zweifel nicht entkräftet, dass die Schrödersche Agenda an der »Vision einer solidarischen und gerechteren Gesellschaft« eben nicht festhält. So wird unverändert an der umstrittenen Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe auf dem Niveau der letzteren ebenso festgehalten wie an den Änderungsplänen für den Kündigungsschutz. Auch die von der Linken abgelehnte Abgeltungssteuer für Zinserträge blieb unverändert. Diese soll mit einer Einmalzahlung abgegolten sein und nicht wie bisher als Pauschalsteuer zu Nachzahlungen im Rahmen der Einkommensteuererklärung führen. Eine Zinsabgeltungssteuer wäre für den Standort Deutschland »attraktiv«, heißt es zur Begründung lapidar in dem Leitantrag.
»Wir fordern die Wiedererhebung der Vermögenssteuer, um mehr Beteiligungsgerechtigkeit an staatlichen Aufgaben zu erreichen. Kapitalerträge müssen in der selben Höhe wie alle sonstigen Einkünfte versteuert werden.« So hatte dagegen das »Manifest« aus Baden-Württemberg gefordert. Doch trotz anhaltenden verbalen Widerstandes gegen Agenda und Leitantrag geraten inzwischen auch die Initiatoren des Mitgliederbegehrens ins Wanken. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Pronold verlangte zwar hartnäckig Korrekturen an Schröders Kurs, deutete zugleich jedoch an, dass das Mitgliederbegehren »nicht unbedingt« fortgesetzt werden müsse. Ottmar Schreiner zeigte sich voller »guter Dinge«, dass die SPD zu einem Konsens komme. Dann würden sich auch »einige andere Dinge« erledigen, gaben Agenturen den Parteilinken wider.
Das Begehren jedoch läuft. In Kreisgeschäftsstellen liegen die Unterschriftenlisten aus. Der Erfolg jedoch - die nötigen 67000 Unterstützer für zehn Prozent der Mitgliedschaft - gerät mit solchen Rückziehern womöglich in Gefahr. Erst dann jedoch kann die Partei in einem Entscheid über die strittigen Fragen abstimmen. Am 11. Juli, drei Monate nach offiziellem Beginn, wird sich zeigen, wie wirksam Schröders Nötigung auch in den Gliederungen seiner Partei ist.
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