nd-aktuell.de / 11.03.1992 / Brandenburg / Seite 1

Schiffbauer: Ein faules Ei“

Berlin/Rostock (ND-Rietz/dpa). Nach langem Polit-Tauziehen vor und hinter den Kulissen sowie massiven Protesten von Schiffbauern und Gewerkschaften hat. Treuhand-Präsidentin Breuel gestern in Berlin bestätigt, daß der Bremer Vulkan AG im Paket die MTW Schiffswerft Wismar und das Dieselmotorenwerk Rostock zum Kauf angeboten sind. Die norwegische Konzern-Gruppe Kvaerner will die Neptun-Warnow-Werft übernehmen. Bei dem Kompromiß wurden Verbundlösung und Einzelverkauf gekoppelt. Der bayerische Dieselmotoren-Hersteller MAN kam nicht zum Zuge. Das Bundeskartellamt machte keine Bedenken geltend. Die Arbeitsplätze in Wismar, Rostock und Warnemünde werden nach der vorgelegten Sanierungslösung von derzeit 10 000 auf 7 000 gestutzt.

Damit überlebt maximal das Kerngeschäft des ostdeutschen Schiffbaus. Der Vorsitzende des Aktionsausschusses der Rostocker Neptun-Warnow-Werft, Hartmut Röwer, bewertete den Kompromiß als „faules Ei“. Vor dem Schweriner Landtag werden heute 6 000 Demonstranten erwartet. Die Rede war in Berlin von einer der „schwierigsten Entscheidungen, die die Treuhand bisher gefällt

hatte, bei der auch Signale der Politik aufgenommen werden mußten“. Treuhandvorstand Wild meinte wenig überzeugend, daß unter Einschluß der Volkswerft Stralsund, der Werft Boizenburg und des Maschinenbaus Halberstadt sowie nicht genannter weite-.rer Betriebe im gesamten Bereich der Deutschen Maschinen- und Schiffbau AG (DMS) etwa 14 000

Arbeitsplätze erhalten bleiben könnten. Sicher ist das nicht.

Ihr neues Ost-Schiffbau-Modell preist die Breuel-Behörde als „internationale Lösung“. Das Risiko' sei gestreut, Erfahrungen verschiedener Unternehmen beim Sanieren eingekauft, die Chance, bei der EG durchzukommen, gegeben. Hohe staatliche Stützungen würden vermieden.

Die Kvaerner-Gruppe will laut Treuhand die Neptun-Warnow-Werft „besenrein“ übernehmen und als zwei selbständige GmbH weiterführen. Dafür müßten Investitionen nachgeholt werden. Das kostet in der ersten Phase fast 900 Millionen DM. Die IG Metall-Antwort: Angesichts der Kvaerner-Forderungen sei klar, „daß die Neptun-Werft dann irgendwann abgewickelt wird“. Kvaerner fordere von der Treuhand u.a. die Übernahme eines Verlustrisikos

von 200 Millionen DM, darüberhinaus Kosten für die Umstrukturierung bei der Neptun-Werft in Höhe von weiteren 250 Millionen DM. Das bedeute langfristig das Aus für 1 200 Beschäftigte.

Auch beim Betriebsrat der Wismarer MTW gab es heftige Kritik. Die Haltung der FDP sei eine „Katastrophe“. Auch die Landes-CDU wurde kritisiert, die noch vor wenigen Tagen einen Paketverkauf der Werften in Wismar, Rostock und Stralsund bekräftigt hätte.

Die symbolische Besetzung der drei betroffenen Firmen durch die rund 10 000 bisher beschäftigten Arbeiter wurde bis Mitternacht fortgesetzt und dann unterbrochen. Man wolle für die Landespolitiker ein Zeichen setzen, die am Mittwoch das Konzept der Landesregierung debattieren und verabschieden sollen.