nd-aktuell.de / 11.03.1992 / Politik / Seite 3

Wenig Hoffnung, warum?

Die Aufarbeitung der Vergangenheit, wie sie bisher geschah, das ist für mich Unfairneß hoch drei. Ich möchte nicht diese DDR wiederhaben. Ich möchte mich aber auch nicht immerzu für meine Vergangenheit rechtfertigen müssen. Ich will das Recht haben, trauern zu dürfen über all das, was in der DDR falsch gemacht wurde. Ich möchte auch die Chance haben, für eine bessere Gesellschaft zu arbeiten, eine bessere auch als die, die wir nun haben. Ich habe eine Werteorientierung, und ich schäme mich auch nicht, das Wort Sozialismus zu gebrauchen. Die darin enthaltenen Werte sind die eine Seite, was daraus gemacht wurde, eine andere.

Trotzdem haben Sie sich heute bei Ihren künftigen Kollegen vorgestellt.

Nach dem Tod von Gerhard wurde erkennbar, daß ein Teil der Politiker laut nachdachte. Es wurde öf-

fentlich geäußert, daß die deutsche Einheit so nicht geschaffen werden kann, daß man so nicht miteinander umgehen kann. Auch bei den Medien hörte ich andere Töne, beispielsweise in den Äußerungen von Pleitgen oder Friedrichs oder Günter Gaus. Der Tod Rieges gab offenbar den Anstoß, wieder lauter über Ethik und Moral der Medien nachzudenken. Es gibt die Hoffnung, die Würde jedes Menschen zu wahren.

Ich habe zudem erlebt, was Gerhard Riege nicht erfahren durfte: Solidarität. Außerdem habe ich nach seinem Tode mit vielen Menschen gesprochen, mit seiner Familie, mit der Thüringer Bundestagsabgeordneten Ursula Fischer, mit Hans Modrow, mit Gregor Gysi. Ein guter Freund hat mir gesagt, die beste Antwort auf den Tod ist das Leben, gehe hin, kämpfe, versuche das Beste daraus zu machen. So ist irgendwie ein Fünkchen Hoffnung entstanden. Auch dadurch, daß hier im Bundestag die Chance besteht, Ungerechtigkeiten an die Öffentlichkeit zu bringen.

Vielleicht kommt es zu einem neuen Umgang der Deutschen, wenn man versucht, Verständnis und Toleranz zu entwickeln. Indem man die Frage zu beantworten versucht, wie bisher gelebt wurde. Dazu gehören wirkliche Kenntnisse über das Leben in der DDR.

Womit werden Sie sich im Bundestag beschäftigen?

Meinem Wunsch entsprechend gehe ich in den Sportausschuß, über andere Gebiete wird noch ge-^ redet. Die PDS-Gruppe muß sich neu orientieren. Beispielsweise kann ich nicht Gerhard Riege im Verfassungsausschuß ersetzen.

Interview: WOLFGANG REX