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  • Wirtschaft und Umwelt
  • Start für Computerschau/165 ostdeutsche Anbieter auf CeBIT Hannover/ Messe schon jetzt Erfolg

Run auf einen Milliarden-Dollar-Markt

  • HELFRIED LIEBSCH
  • Lesedauer: 5 Min.

Ab heute empfängt das diesjährige Welt-Centrum Büro-Information-Telekommunikation (CeBIT) seine Besucher. Bis zum 18. März zeigen über S 300 Aussteller aus 43 Ländern in Hannover, was sie können und informieren über technologische Trends. Erstmals hat der Bereich Forschung und Entwicklung eine eigene Halle. Alles, was in der Computerwelt Rang und Namen hat, gibt sich ein Stelldichein. Im Niedersächsischen trifft sich auch, was noch keinen Namen und erst recht keinen Bang hat - es sind auch 165 Aussteller aus den neuen Bundesländern dabei. Erwartet werden wieder mehr als eine halbe Million Gäste.

Die nur siebenjährige Geschichte der CeBIT ist eine Erfolgsstory. Als 1986 der Computerbereich aus der Hannovermesse Industrie herausgelöst wurde, belegte er zweieinhalb Hallen, heute sind 300 000 Quadratmeter Fläche in 21 Hallen ausgebucht. Ehe der erste Besucher die CeBIT betritt, sind schon 50 000 bis 60 000 Standbetreuer und anderes Personal zugange - mehr Beschäftigte als Besucher auf der Leipziger Frühjahrsmesse.

Es heißt, daß die größten Computermessen Japans und der USA in Hannover stattfinden. Die CeBIT wird Aufschluß darüber geben, ob der technologische Abstand Europas größer geworden ist und wie es im Kampf um Marktanteile steht. Namhafte Hersteller in aller Welt mußten 'in den letzten Monaten dramatische Gewinneinbrüche hinnehmen. Die Schere zwischen Umsätzen und Erträgen wird ständig größer. Dennoch ist die Situation der Branche, die Strukturwandel zu verkraften hat, besser als die Lage einzelner Unternehmen.

Warum der Run auf die Messe unvermindert anhält, dürfte jedoch nicht nur in ihrer unbestrittenen Qualität als Leitmesse zu suchen sein, auf der sich die Top-Manager die Klinke in die Hand geben. Ein wesentlicher Grund für die ungebrochenene Sogwirkung ist der europäische Binnenmarkt '93. Er hat das riesige Importvolumen von 1,2 Billionen Dollar, ist also von seiner

Aufnahmefähigkeit größer als die US-amerikanischen und japanischen Märkte zusammengenommen. Obendrein ist die geografische Lage Niedersachsens dazu angetan, sich als Ost-West-Drehscheibe zu behaupten. Experten sind sich einig, daß Osteuropa einen riesigen Bedarf an Kommunikationstechnologie hat. Sollte daraus ein Markt werden, will man schon ein Bein in der Tür haben.

Wie am Vorabend der CeBIT von den zuständigen Fachverbänden mitgeteilt wurde, rechnet die deutsche Industrie im Bereich der Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik für 1992 mit einem Umsatzwachstum von acht bis zehn Prozent. Während aber bei Software und Services 15 Prozent veranschlagt werden, geht die Kommunikationstechnik auf fünf Prozent Umsatzwachstum zurück. Positive Impulse werden weiter vom wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern und in Osteuropa erwartet.

Die Branche profitierte bisher' von der Sonderkonjunktur infolge der deutschen Einheit.' Die informations- und kommunikationstechnische Industrie steigerte ihren Hardware-Umsatz um fast 18 Prozent. Software und Services wuchsen um 15 Prozent. In der Bürotechnik kletterte der Hardware-Umsatz um 22,9 Prozent. Hinter den Westunternehmen in der Kommunikationstechnik liegt ein Aus-

nahmejahr. Bei den Umsätzen wurden 20,6 Prozent zugelegt.

Auch vor diesem Hintergrund leuchtet die Dienstag abend bei der Eröffnung der CeBIT von Bundeswirtschaftsminister Möllemann erhobene Forderung ein, der Osten solle von der Computerbranche nicht nur als Absatzregion verstanden werden. Er begrüßte, daß bei der nächsten Generation von Halbleiter-Chips der Standort Dresden diskutiert wird. Die Produktion des 64-Mega-Bit-Chips in der sächsischen Metropole wäre ein Signal für den technologischen Aufbruch in den neuen Ländern.

Auf der Messe selbst sind gegenüber dem Vorjahr 114 Firmen aus den neuen Bundesländern mehr vertreten. Mit 39 Firmen führt der Ostteil Berlins die Liste an, 37 Firmen kommen aus Sachsen, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 27, Brandenburg 24, Sachsen-Anhalt 23 und Thüringen mit 15 Ausstellern. Im Vergleich zu den alten Bundesländern nehmen sich indes die ostdeutschen Aussteller mehr als bescheiden aus. Allein aus Nordrhein-Westfalen kommen 800 Anbieter, aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen noch einmal 1 600 Firmen.

Der Schwerpunkt der ostdeutschen Präsenz liegt im Softwarebereich. Die neuen Länder sind durch Gemeinschaftsstände vertreten, die den Messeneulingen den Start finanziell erleichtern. Rund 20 Institute und Bildungseinrichtungen aus dem Osten dokumentieren ihr Leistungsvermögen und suchen nach Partnern. Allein vom Markt neue Bundesländer wird bei Hardund Software (ohne Telekommunikation) bis Mitte der 90er Jahre eine Nachfrage von sechs Milliarden Dollar erwartet.

Speziell auf ostdeutsche Besucher zugeschnitten ist ein kommunales Anwenderzentrum. Die dort angebotenen Lösungen, unter anderem auch von 15 ostdeutschen Kommunen entwickelt, sind vor allem für Entscheidungsträger in Städten und Gemeinden von Nutzen. Darüber hinaus gibt die Ausstellung „Chancen 2 000“ einen Überblick über Aus-, Weiter- und Umschulungsmöglichkeiten.

Zukünftige Marktpotentiale dürften Multimedia - die Zusammenführung verschiedener Leistungen (Schriften, Zeichentricks, Video, Musik, Sprache) zur immer perfekteren Simulation der menschlichen Kommunikation - in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Bei Produktpremieren und Innovationen werden ?bedienerfreundliche Software, Mini-Personalcomputer und Laptops, Hochgeschwindigkeits- und intelligente Netze sowie neue Lösungen beim Computer-Recycling vorgestellt. Die Nutzer können ihre alten Computer voraussichtlich schon zu Beginn des nächsten Jahres über den Händler oder Hersteller dem Recycling zuführen. Das sieht die neue Elektronik-Schrott-Verordnung vor, die zum Jahresende in Kraft treten soll. 80 bis 85 Prozent der Computer-Bestandteile sind theoretisch wiederverwertbar.

Im Bereich Telekommunikation sind Aufschlüsse über den Betriebsbeginn der digitalen Netze zu erwarten. Auch heuer werden Software-Aussteller ungefähr ein Drittel der Anbieter ausmachen. Mehr als 130 von ihnen nehmen an der Sonderausstellung „Software in Europa“ teil, 300 Software-Entwickler und -Produzenten haben sich am Wettbewerb um den Preis „Golden Softies“ beteiligt.

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