nd-aktuell.de / 11.03.1992 / Politik / Seite 11

Warum?

„Newsweek“ hatte angekündigt, über die „Tagebuch“-Geschichte eine Story zu machen. Der Verlag hatte mit „Newsweek“ über den Verkauf verhandelt, die hatten Fotokopien bekommen. Und in Hamburg herrschte wahnsinnige Panik, daß ihnen „Newsweek“ die Show stiehlt. Der Verlag entschied, gleich im nächsten Heft mit dem Abdruck der „Tagebücher“ zu beginnen. Ich hatte die Geschichte nicht mal gelesen, mit keiner Zeile daran mitgewirkt.

Wer hat die These verzapft, daß aufgrund dieser „Tagebücher“ die Geschichte des Dritten Reiches umgeschrieben werden müsse?

Chefredakteur Peter Koch, der das Vorwort geschrieben hat.

Dann ging der Rummel los und der Streit, ob die Tagebücher echt sind...

Der britische Historiker David Irving trat auf und verkündete: Fälschung, Fälschung, Fälschung. Doch nach der großen Fernsehdiskussion zum Thema am 27. April sagte er beim Bier zu Peter Koch: Wenn ihr mich bezahlt hättet, hätte ich erklärt, die Dinger sind echt. So hab' ich mich von „Bild“ bezahlen lassen und erstmal gesagt, es sind Fälschungen.

Irving hat sich dann aber doch noch auf die Seite der Fehlurteile geschlagen.

Ja, Peter Koch rief mich aus Amerika an und sagte: Du mußt dafür sorgen, daß Irving spätestens übermorgen erklärt, die Bücher sind doch echt. Kein Problem, habe ich gesagt und Irving in London angerufen. „David, in den Büchern steht übrigens drin, was du immer behauptest: Hitler hätte von den Judenmorden nichts gewußt. Und jetzt willst du das als Fälschung bezeichnen?“ „Nein“, hat er sofort reagiert, „ich werde gleich morgen herausgeben, daß sie doch echt sind.“

Schulte-Hillen hatte inzwischen drei komplette Bücher ans Bundeskriminalamt gegeben. Die reichten es ans Bundesamt für Materialprüfung weiter, wo festgestellt wurde: Es sind Polyesterfäden im Ein-

band, und das Papier enthält Aufheller. Dann hat das Bundeskriminalamt eine große Erklärung abgegeben, sie hätten die Fälschung entlarvt. Dabei haben die nie was getan.

Welches Gefühl hatten Sie auf der Pressekonferenz?

Gar keines. Ich hatte vorher schriftlich die Anweisung bekommen, die Schnauze zu halten.

Hatten Sie nie Zweifel an der Identität der sagenhaften „Tagebuch“-Schlüsselfigur in der DDR, des General Fischer?

Nein, der Verfassungsschutz hat nicht gesagt, daß es den nicht gibt. Die haben nur gesagt: Herr Heidemann, wenn Sie die Geschichte abgeschlossen haben, wäre es nicht schlecht, wenn diese korrupten DDR-Generäle unter Druck gesetzt werden. Dann können die für uns arbeiten.

Wie kompetent sind Redaktionen wie „Stern“ oder „Spiegel“, mit brisanten Dokumenten - jetzt zum Beispiel mit vermeintlichen Stasi-Akten - umzugehen?

Bedenken Sie nur die schlechte Qualität der Kopien, wenn da etwa „Czerni“ steht. Da können leicht Fälschungen drunter sein, mit denen man Leute belasten kann.

Wäre es für Sie spannend, die ganzen Stasi-„Enthüllungen“ gegenzurecherchieren?

Ich fange nächste Woche in Ostberlin mit Recherchen an.