nd-aktuell.de / 30.03.1992 / Brandenburg / Seite 7

Zufrieden grinste nur das Strichgesicht

Olympia macht mobil. Mit Mann und Maus war die Besatzung der Brücke des Olympiadampfers angerückt, um den Kurs zu erläutern. Die gute alte Seelenbinderhalle, die ja nun bald gänzlich wegen Altersschwäche ausgedient hat, empfing viele junge Sportler von Prenzlauer Berg, die im Jahr 2 000 Medaillenhoffnungen tragen könnten. Sie lockte auch zahlreiche Interessenten für, aber auch Protestierer gegen Olympia unter ihr Dach. An dieser Stelle sollen eine Radsport- und eine Schwimmhalle entstehen, im nahen Friedrich--Ludwig-Jahn-Sportpark wird eine Boxhalle errichtet. Damit wird Prenzlauer Berg für die mögliche Olympiastadt der größte Bauplatz. Als dann dem Spielfest in der Halle eine Pause verordnet und das Publikum zu einem Forum auf die Innenfläche gebeten wurde, gab es keine Kunstpause. Wo können wir

künftig Sport treiben, wenn hier alles abgerissen wird? Warum wird die spezielle Berliner Olympiageschichte kaum in die Strategie der Vorbereitung einbezogen? Warum werden über die Köpfe der Bevölkerung hinweg Entscheidungen getroffen, das mußten wir 40 Jahre lang ertragen? Warum werden die 700 Millionen Steuergelder, mit denen hier drei Hallen reingeklotzt werden, nicht für eine behutsame Stadtsanierung eingesetzt? Es wurde Klartext gefragt. Die Antworten der von Richthofen, Nawrocki, Bock, Kiemann, Dennert versuchten die Notwendigkeit nahezubringen, daß nur mit Olympia ohnehin dringend nötige Verbesserungen der Lebensqualität in der Stadt schnell auf die Schiene gebracht werden können. Olympia als kraftvolle Infrastrukturlok!

Daß das Projekt mit dem grinsenden gelben Bären-Strichgesicht

tatsächlich nahezu alle Bereiche des Lebens berührt, machte Sportlehrerin Uta Krebs am Mikrofon deutlich. Sie soll künftig eine Stunde, und da ihr als 50jährige die bisher obligate Freistunde gestrichen wird, sogar zwei Stunden länger arbeiten.. „Das geht eindeutig zu Lasten des Sports, denn die zwei Stunden fehlen mir für meine Übungsleitertätigkeit.“ Sprachs und schickte ihre Mädchen zum Turnerinnentanz auf das Parkett. So kam der Sport doch wieder zu Wort, wenngleich mehr Fragen offenblieben, als Olympiastimmung aufkam.

Die Führungscrew erfuhr pur, wie die Prenzelberger über Olympia denken, und diese wiederum mögen den Nutzen Olympischer Spiele bei dieser Veranstaltung konkreter erkannt haben.

WOLFGANG RICHTER