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  • Kultur
  • Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung tagte in Prag

Kaum Konkurrenz zu Fußballfans

  • JAROSLAVPOLIVKA, Prag
  • Lesedauer: 2 Min.

Vier Tage lang hielt vergangene Woche die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aus Darmstadt in Prag ihre Frühjahrstagung ab. Nach Zürich zum zweiten Mal im Ausland, erstmals in einer Stadt, in der Deutsch nicht Muttersprache ist, wenngleich es hier doch über Jahrhunderte hinweg zu Hause war. Die Idee hatte Akademiepräsident Prof. Heckmann, und Eduard Goldstücker, ehemals führender Kopf des Prager Frühlings von 1968 und seit einem Jahr aus britischer Emigration in die Heimat zurückgekehrt, hat bei der Realisierung Pate gestanden.

Es ergab sich, daß der Auftakt der Akademietagung mit zwei Ereignissen zusammenfiel. Am Mittwoch tagte das Parlament zum Nachbarschaftsvertrag mit Deutschland, und das Team von Berti Vogts probte gegen die CSFR für die Europameisterschaft. Da mußten Dichtung und Germanistik in den Hintergrund geraten, zumal deutsche Hooligans den Pragern

eine Lektion in europäischem Fanverhalten erteilten. Das beschäftigte alle Rundfunksender und Zeitungen bis zum Wochenende. Vielleicht nahm man deshalb von der Akademietagung kaum Notiz. Obwohl sie das nicht verdiente. Eine Ausstellung zum Wirken tschechischer Autoren, die ins Deutsche übersetzt wurden - mehr als die Hälfte kam aus früheren DDR-Verlagen - machte deutlich, daß die Literatur dieses kleinen Landes auf dem deutschen Buchmarkt stark repräsentiert ist. ?' '-?

Mitnichten hat vor allem die Veranstaltung vom Freitag Nichtachtung verdient, die in der Aula der Philosophischen Fakultät zum Thema „Deutsches Exil in Prag, Prager Emigranten in Deutschland“ abgehalten wurde. Nicht nur der Historie wegen, sondern auch mit Blick auf gegenwärtige europäische Probleme. Dabei war Eduard Goldstücker, der erst vor den Nazis floh und 30 Jahre später vor den sowjetischen Truppen. Ein

Doppelemigrant, ein ehemaliger Kommunist, der bekannte, das zweite Exil viel schmerzlicher erlebt zu haben, weil er es denen verdankte, die er für seine Genossen hielt. Goldstücker hat auch schon jene Zeit miterlebt, da rund 10 000 Deutsche auf der Flucht vor Hitler hier aufgenommen wurden, als die Tschechoslowakei eine demokratische Insel im Europa östlich Deutschlands war. Mit dabei waren auch der Schriftsteller und Dramatiker Pavel Kohout sowie seine Kollegen Libuse Monikova und Ota Filip, die nach dem gescheiterten Prager Frühling gehen mußten, in Österreich und der Bundesrepublik Aufnahme fanden und anfingen, in Deutsch zu schreiben. Der Abend war interessant, und er teilte viel über Empfindungen von Menschen mit, die wider Willen ihr Land verlassen, üb^den Unterschied, wie Goldstücker sagte, zwischen Emigranten, die gehen wollen,“und Flüchtlingen, die gehen müssen.

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