nd-aktuell.de / 15.06.1992 / Politik / Seite 1

Abstieg vom Gipfel auf neuen Wegen - oder auf alten in den Abgrund?

Rio de Janeiro/Hamburg (ND/Reuter/dpa/AFP). Die Schlußsitzung der UN-Gipfelkonferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro endete mit faulen Kompromissen in Bezug auf die Lösung des globalen Problems umweltverträglicher Entwicklung der gesamten Menschheit. Während UN-Offizielle und viele der über 100 Staats- und Regierungschefs ihr als Super-Gipfel postuliertes Treffen als „historischen Schritt“ lobten, sprachen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen von einem ..historischen Scheitern“.

Nach 12tägiger Dauer beendete am Sonntag nachmittag Brasiliens Präsident Collor de Mello den Erdgipfel. Zugleich stimmten die UN-CED-Teilnehmer einer Grundsatzerklärung anstatt der geplanten Erdcharta, eine Erklärung über den Waldschutz und ein Aktionsprogramm (Agenda 21) zu. Klimakonvention und Artenschutzabkommen sind zwar schon von vielen Staatschefs unterzeichnet wurden, werden aber aufgrund der Verweigerungshaltung der USA und anderer Industriestaaten bzw in ihrer verwässerten Form in ab-

sehbarer Zeit kaum Wirkung zeigen.

Beim Aktionsplan blieb die Finanzierung der 115 Programme offen, wobei es den Entwicklungsländern nicht gelang, die reicheren Staaten des Nordens dazu zu bewegen, ihre schon vor 20 Jahren eingegangene Verpflichtung, 0,7 Prozent ihres jährlichen Bruttosozialprodukts für die dritte Welt zur Verfügung zu stellen, mit konkreten Terminzusagen zu bekräftigen. Große Länder wie die USA entziehen sich gänzlich jeglicher Verpflichtung in diesem Zusammenhang.

Trotzdem behaupteten gerade die verantwortlichen Politiker dieser Blockade-Länder, die Gipfelkonferenz sei ein Erfolg und Wendepunkt. Bundeskanzler Kohl schwärmte von einer Welt, die nach Rio ganz anders aussehe, weil der „Begriff der Solidarität“ neu definiert worden sei. US-Präsident.. Bush, der der Plenarsitzung der Staats- und Regierungschefs am Samstag sogar ferngeblieben war, reklamierte gar die Führungsrolle seines Landes beim internationalen Umweltschutz. Führung bedeute jedoch manchmal, einen anderen Weg als „alle Anderen“ zu beschreiten.

Wie Deutschland machten auch andere Länder, darunter Japan, Finanzzusagen und Versprechungen. Nach Angaben des World Wide Fund For Nature addieren sich diese jedoch auf rund vier Milliarden Mark jährlich für Vorhaben im globalen Umweltschutz. UNCED-Or-