nd-aktuell.de / 15.06.1992 / Politik / Seite 2

Leserbriefe

Neue Modifikationen des „Zugs zur Einheit“

Die Metapher vom Zug, der zur deutschen Einheit rollt, erlebt ständig neue Modifikationen. Jetzt entdeckte Friedrich Schorlemmer (ND vom 5. Juni), „an den Zug gehört noch ein Wägen dran“, wobei er an ein Aufbauministerium Ost dachte. ,,Die Zeit“ (8. 5.) hatte da allerdings Wichtigeres vermißt. Sie hatte vermeldet, daß für die Fortsetzung der Politik Genschers die Schienen noch gar nicht gelegt sind. Es scheint in der Tat so, als ob der Zug „Deutschland“ zwar rollt, aber parallel zum Zug „Europa“ jedenfalls nicht, und wer ihn wohin steuert, weiß offensichtlich auch niemand.

Jedenfalls hat sich die Hoffnung Willy Brandts, die er auf dem Gründungsparteitag der SPD am 24. 2.1990 in Leipzig äußerte, nicht erfüllt: „Der Zug zur Einheit rollt. Jetzt kommt es darauf an, daß niemand unter die Räder kommt. Das zu verhindern, ist wichtiger als der Komfort derjenigen, die Erster Klasse fahren“ (Willy Brandt: Reden zu Deutschland, Bonn 1990, S. 114).

H. Schade, Dresden, 8020