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Tausende gedachten des 50. Jahrestages der Ausradierung Lidices

  • Lesedauer: 3 Min.

Prag (ADN/ND). Tausende Menschen, darunter auch viele Deutsche, trafen sich am Sonnabend in Lidice vor den Toren Prags. Schon seit Jahrzehnten ist dies so immer im Juni, wenn der Ort seiner Liquidierung durch die Nazis gedenkt. Im Unterschied zu den „alten“ Zeiten aber waren diesmal wohl alle aus eigenem Antrieb erschienen, und die offiziellen Reden waren leise und kurz.

An der Gedenkstätte unter einem Holzkreuz wurden Dutzende Kränze niedergelegt. Darunter befanden sich der von Bundespräsident von Weizsäcker, des brandenburgi-

schen Ministerpräsidenten Stolpe, von Kirchen, Antifaschisten und zahlreichen Organisationen.

Lidice war als erste Gemeinde dem Rachefeldzug der Nazis nach dem Attentat auf den „Stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren“, Heydrich, zum Opfer gefallen. In der Nacht zum 10. Juni 1942 wurde der Ort von Gestapo, Schutzpolizei und Soldaten umzingelt. Während die Frauen und die nicht „germanisierbaren“ Kinder in Konzentrationslager verschleppt wurden, erschoß man die Männer zwischen 14 und 84 Jahren an Ort und Stelle. Wohnhäuser, Kirche, Schule und Friedhof wur-

den geschleift, was sich nicht verbrennen ließ, abtransportiert. Juden aus Terezin mußten das Massengrab schaufeln, ein Räumkommando machte den Ort dem Erdboden gleich.

Die Opfer seien nicht umsonst gewesen, sagte CSFR-Präsident Havel am Grab der 173 Männer, die damals ermordet worden waren. „Sinnlos könnten wir selbst sie machen, wenn wir es heute nicht fertigbringen, unsere Freiheit wirklich mit Sinn zu erfüllen“, warnte er. Die eigenen Angelegenheiten vernünftig zu ordnen, sei man nicht nur sich selbst und den Nachkommen, sondern auch all jenen schul-

dig, die „Opfer vergangener Diktaturen wurden.“ Vor allem jene wenigen, die als Kinder das heute nur schwer faßbare Grauen erlebt hatten, dürften dem Präsidenten für seine klaren Worte dankbar sein. Die gegenwärtige Zeit der Umbewertungen hat manchen verunsichert, Ob nicht auch Lidice in einem anderen Licht als bisher zu betrachten sei.

143 Frauen aus Lidice überlebten Ravensbrück und andere Konzentrationslager. Ihre Töchter und Söhne sahen nur 17 von ihnen wieder. 88 Kinder hatte man zusammen mit kleinen Leidensgefährten aus der ebenfalls vernichteten Ge-

meinde Lezaky mit Autoabgasen vergiftet.

1947 wurde mit dem Aufbau des neuen Ortes begonnen. 500 Menschen leben heute hier. Lidice hat Probleme mit Altlasten. Jener Rohbau zum, Beispiel, der als großes Museum gedacht war, hat bereits 35 Millionen Kronen geschluckt. Mit Hilfe karitativer Vereinigungen, von Spenden und mit zehn Millionen Kronen, die die tschechische Regierung zugesagt hat, soll nun eine Art Altersheim daraus werden. Bürgermeister Müller will Lidice zu einem Symbol des Widerstandes gegen jede Art von Gewalt werden lassen.

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