nd-aktuell.de / 15.06.1992 / Berlin / Seite 7

Angebote von PotPoree und Weiberclan

Das Nachbarschaftsheim e.V in der Kreuzberger Urbanstraße bot am Sonnabend der 2. Informationsbörse für Frauen einen guten Rahmen. Die alte Villa samt Garten, in der sonst für Leute zwischen drei und dreiundneunzig Kultur, Bildung, Beratung oder Kurzweil angesagt ist, war Frauen vorbehalten. Jedoch nicht vorbehaltlos -„Männer werden diesmal 'reingelassen,“ korrigierte die Veranstalterin Anita Gnielinski, Kreuzbergs Frauenbeauftragte, das Verbot von vor zwei Jahren. Damals fand die erste Börse großen Zulauf. „Ostberlinerinnen strömten regelrecht herbei“, erinnerte sich Frau Gnielinski, saugten Ideen auf, die in der Vereins- und projektarmen DDR nicht realisierbar waren.

Am Wochenende nun kamen Ostfrauen nicht mehr nur als Ratsuchende, sondern auch als Beratende. MOBi - ein Lichtenberger Projekt des Demokratischen Frauenbundes, das Kinderreichen, Alleinerziehenden und Seniorinnen auch mit Tat (Reparaturen und Renovieren) zur Seite steht - gehörte dazu. Frauen rund um den Prenzl'berger Kollwitz-Platz, die sich zum „Weiberclan Käthe“ zusammengeschlossen haben, wollen ein- Bewußtsein für die gesellschaftliche Stellung der Frau entwickeln, auch mit ihren regelmäßigen Walpurgisnacht-Feiern. Im Berliner Hebam-

menverband e.V sind Frauen aus dem Osten längst Mitglied. Sie bieten ihre Dienste stadtweit an.

Die Liste der sich Präsentierenden war lang und vielfältig. Sie reichte von klassischen Verbänden (Deutscher Frauenrat, Staatsbürgerinnenbund) über Vereine (Türkischer Frauenverein, Leben lernen e.V., KOITI-Nachbarschaftsverein) und Berufsverbänden (die der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen) bis hin zu Projekten verschiedenster Thematik. „Pott-Poree“ ist ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt für Frauen, die Sozialhilfe bekommen haben. Für runde, dicke, übergewichtige Frauen und solche, deren Gedanken ständig ums Essen kreisen, bietet die offene Selbsterfahrungsgruppe „Rund - na und?“ therapeutische und kreative Begleitung an. Frauen entwickeln Öko-Technik, betreiben Computerzentren, wollen mit der „Weiberwirtschaft“ einen eigenen Gewerbehof gründen, koordinieren ihre Bildung,' beraten bei Familienkonflikten, stellen Zufluchtswohnungen für Mißhandelte bereit, organisieren Kinderbetreuung, initiierten einen internationalen Mädchentreff.

Für die Frauenbeauftrage Gnielinski ist erklärtes Ziel solcher Börsen, Begegnungsforen zu schaffen zwischen den Vereinen, Projekten,

Verbänden und Frauen, die kommen, um Hilfe oder Rat zu erfahren oder sich selbst in politischen oder sozialen Bereichen engagieren wollen. „Nicht alle Frauen gehen ins Rathaus oder in Projekte“, begründete die dienstälteste Frauenbeauftragte (sechs Jahre) die Notwendigkeit der Börse. „Hier können Frauen Material mitnehmen und gleich am Stand Näheres erfahren“

Ost-West-Projekte gibt es im ehemaligen Grenzbezirk Kreuzberg kaum. Dabei sollten sich die Frauen zusammentun, ist Frau Gnielinskis Meinung, weil Ost-West-Übergreifendes sowohl vom Merkel-Ministerium als auch vom Senat besser finanziert werden. Gisela Kindt aus Köpenick kam als Frauenbeauftragte der Fo(rtbüdung)Be(ratung)Ko(nzeption) - einer Servicegesellschaft für Gesundheit und Soziales - zur Informationsbörse. „Ab September, nach Fortschreibung des arbeitsmarktpolitischen RahmenprogrammSj werde ich auch für den Westteil Berlins verantwortlich sein. Deshalb ist es für mich notwendig, Kontakte zu Frauenprojekten aufzunehmen. Außerdem bin ich in Köpenick als Bürgerdeputierte im Gleichstellungsausschuß. Wir versuchen erst einmal nur, Kontakte aufzunehmen. Für mich ist die Erkenntnis wichtig:

Ost- und Westprojekte können nicht mehr isoliert weiterleben. Wir haben jedoch auf vielen Frauendiskussionen gemerkt, daß wir noch nicht in der Lage sind, die gleiche Sprache zu sprechen und daß wir uns nicht die Zeit nehmen, Dinge zu hinterfragen“, beschrieb sie ihre Erfahrung. Geschafft hat dies die Fraueninfothek. Nach drei Jahren Existenz im Westen ist die Informations- und Servicezentrale im April in die Dircksenstraße 47 in Mitte gezogen. Die Leitung der Fraueninfothek ist paritätisch besetzt. Bärbel Kemmesieß ist eine der 14 Mitarbeiterinnen Ost. „Die Börse ist eine günstige Gelegenheit, um uns an die Öffentlichkeit zu bringen und von anderen zu erfahren“ Unter den Selbstdarstellungen der Projekte, die die Kulturwissenschaftlerin neugierig gemacht haben, ist die vom „Betreuungsladen für Außergewöhnlichen Betreuungsbedarf“ (BABB). Dahinter verbirgt sich eine schnelle und unbürokratische Kinderbetreuung, eine Übergangslösung in Notsituationen.

Noch ein Tip für alle, die die Kreuzberger Börse verpaßt haben: Am kommenden Sonnabend findet auf der Köpenicker Schloßinsel ab 14.00 Uhr die 2. Köpenicker Informationsbörse statt.

CORINNA FRICKE