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  • Politik
  • Die unionsnahe Deutschland-Stiftung gestern und heute

Mit neuen Preisträgern und alten Tönen

  • KURT HIRSCH und PETER B. HEIM
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit ihrer Gründung 1966 waren die Deutschland-Stiftung, die von ihr vergebenen Konrad-Adenauer-Preise und die Hauspostille Deutschland-Magazin das Flaggschiff der bundesdeutschen Restauration, mit vielfachen Querverbindungen zu Wirtschaft und Politik. Kaum ein Schriftsteller oder Journalist entsprechender Couleur, der nicht mit einem der Preise bedacht wurde. Ihre Existenzberechtigung leitete die Stiftung unter anderem aus folgenden „Gegebenheiten“ ab: „Anarchie und Nihilismus bedrohen die freie Welt. Jeder Staatsbürger ist mitverantwortlich für die Zukunft seines Landes und die Bewahrung der freiheitlichen Ordnung. Sturmzeichen wachsender Radikalisierung erschrecken die Öffentlichkeit. Helfen Sie der Deutschland-Stiftung, Widerstand gegen die Zerstörung zu leisten. Eine Sammlung aller staatserhaltenden Kräfte tut not.“

Um den Charakter der Stiftung noch zu verdeutlichen, bietet sich ein Blick auf Mitglieder und Preisträger an. Einer der ersten Ehrenpräsidenten war der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens, Heinrich Hellwege. Zitat von 1955: „Schießen ist ein Symbol deutscher Art.“ Erich Maier war Gründungs-

mitglied und damaliger Pressereferent der Sudetendeutschen Landsmannschaft und wußte 1959, „daß von einem deutschen .Überfall' auf Polen nicht gesprochen werden kann“. Nicht unerwähnt bleiben darf auch der damalige Mitarbeiter des Deutschland-Magazins und derzeitige stellvertretende Bundestagspräsident, Hans Klein (CSU), der 1973 meinte: „Wirksamere Kontrollen und strengere Anwendung des Ausländerrechts könnten zwar das Gastarbeiterproblem nicht lösen. Sie könnten es nur von der Schlacke der Kriminalität und der Radikalität befreien“

Erster Preisträger war der Schweizer Staatsbürger, rechtskonservative Publizist und Buchautor Armin Mohler mit plastischen Schilderungen aus dem Jahre 1965: „Sie türmten die Kadaver der Juden, die nicht für sie gestorben waren, als Wall um sich auf, um Feldvorteile zu haben...“ Der Preisträger des Jahres 1969 war Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps, „patriotischer Jude“ und ehemaliger Herausgeber des Organs „Der deutsche Vortrupp“ in den 30er Jahren. Zitat von 1935: „Von dieser nun einmal so und nicht anders gegebenen Voraussetzung her sind die Blut- und Bodenparolen des Nationalsozialismus, seine Rassen-

gesetzgebung, der Arbeitsdienst wie der Bau der Reichsautobahn als von der Situation geforderte Notwendigkeiten zu verstehen...“

Wesentlich geprägt wurde die Deutschland-Stiftung natürlich von dem langjährigen Vorsitzenden und Herausgeber des Deutschland-Magazins, Kurt Ziesel, der sich während der Ära des Dritten Reiches als NS- Propagandist betätigt hatte: „...Lösung der Judenfrage, nationaler Stolz, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Friedenswille und ein neuerwecktes Rassen- und Volksbewußtsein sind die Grundpfeiler einer Entwicklung, die stürmisch und unaufhaltsam den Südosten und den Nahen Orient verwandeln...“ (1938/39). Kurt Ziesel 1971. „Wir müssen angesichts der zweijährigen Erfahrung mit der sozialistisch-liberalen Bundesregierung davon ausgehen, daß die verantwortlichen Männer in Bonn auch weiterhin mit gezielten Täuschungsmanövern die Öffentlichkeit über ihr Zusammenspiel mit den Sowjets irreführen...“ Aber der Initiator der Deutschland- Stiftung war nicht nur ein theoretischer Propagandist, er setzte seine „Erkenntnisse“ auch in die Praxis um. So denunzierte Kurt Ziesel mit einem Brief vom 6. 8. 1943 an das

Amtsgericht Lilienfeld seine Köchin Theresia Kassis wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“, da deren „Haßausbrüche gegen Großdeutschland und die Volksgenossen aus dem Altreich eine Gesinnung verraten, die für das Konzentrationslager reif ist...“

Vor diesem „historischen Hintergrund“ der Mitglieder der Deutschland-Stiftung nahmen sich dann allerdings die diesjährigen Träger des Konrad-Adenauer-Preises eher befremdlich aus. Der Professor für Neuere Geschichte, Michael Wolffsohn, erhielt den Preis für Wissenschaft und wurde „als deutsch-jüdischer Patriot, der in der dauerhaften Versöhnung zwischen Deutschland und Israel gegen die Strömung eines unbelehrbaren Zeitgeists seine Aufgabe sieht“, geehrt. Die Autorin Gabriele Wohmann wurde wegen ihres „von hoher sprachlicher Qualität geprägten literarischen Werkes“ mit dem Literatur-Preis bedacht, und in der Sparte Publizistik erhielt der Chefredakteur der „Neuen Ruhr Zeitung“, Jens Feddersen, die Auszeichnung. Nachdem ihm in der Laudatio „überragende publizisitische Leistungen, die getragen sind von Patriotismus, Toleranz und sozialem Engagement“, be-

scheinigt wurden, revanchierte sich Feddersen mit einem Dank an den derzeitigen Vorsitzenden der Stiftung, Gerhard Löwenthal, und an andere „liebe Freunde“, die 40 Jahre lang dem auch publizistischen Ansturm der Unfreiheit widerstanden hätten.

Daß Bundeskanzler Helmut Kohl die Festrede anläßlich der Verleihung hielt, hatte durchaus noch die rechte Logik, jedoch einen sozialdemokratischen Journalisten wie Jens Feddersen unter den Preisträgern zu finden, der sich offensichtlich in einer Linie mit „lieben Freunden“ wie Gerhard Löwenthal sah, war dann doch schwer nachzuvollziehen. Die Frage drängte sich auf, ob sich nun die Deutschland-Stiftung so weit vom Geiste ihrer Väter entfernt habe, daß die diesjährigen Preisträger lediglich der neuen Entwicklung entsprachen, oder ob auf der Seite der Preisträger die Berührungsängste entfallen waren. Gäste und Redner wie CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch, Bayerns Umweltminister Peter Gauweiler oder der bayerische Ex-Kultusminister Hans Maier schwächten jedoch bezüglich ersterem bereits durch ihre Präsenz die schlimmsten Befürchtungen ab.

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