nd-aktuell.de / 15.06.1992 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Er kassiert 95 000 Dollar für einen Zentimeter

Als Sergej Bubka am Sonnabend in Dijon die Weltrekordhöhe von 6,11 m übersprang, waren zwischen seinem Körper und der Latte noch mindestens fünf Zentimeter Luft. Doch der 28jährige Stabhochsprung-Artist packte nach drei Sprüngen seinen Stab ein. Warum auch hätte er den Wettkampf fortsetzen sollen? Dafür, daß er einen Zentimeter höher sprang als bei seinem letzten Freiluft-Weltrekord am 5. August 1991 in Malmö, kassierte der Ukrainer nämlich neben seinem Startgeld von 60 000 Dollar (rund 95 000 Mark) auch noch 35 000 Dollar (rund 55 000 Mark) Weltrekord-Prämie.

Und dieses Spielchen will der Geschäftsmann Bubka, der im Vorjahr allein viermal die Welthöchstmarke um jeweils einen Zentimeter verbesserte, natürlich in der gleichen Weise fortsetzen. Vor einem Jahr hatte Bubka ausgerechnet in Dijon seine Philosophie erklärt: „Ich bin doch kein Narr und säge mir selbst den finanziellen Ast ab.“ Diesmal hatte der dreimalige Weltmeister freilich eine andere Erklärung parat. „Ich habe immer noch Probleme mit meinem Fuß“, sagte der Neu-Berliner vom Olympischen Sport-Club, der am 22. Juni in Berlin die Sergej-Bubka-Springerschule einweiht, „deshalb versuche ich, im Wettkampf so wenig wie möglich Sprünge zu machen.“

Bubka, dem eine Achillessehne am rechten Fuß zu schaffen macht, war mit 5,80 m in den Wettbewerb eingestiegen, hatte dann 5,97 m ebenso im ersten Versuch überquert wie die folgenden 6,11 m. Für den Stabhochsprung-Profi und Weltrekordler im Aufstellen von Weltrekorden war es die 30. Welt-Höchstleistung. Den 14 Freiluft-Weltrekorden seit den 5,85 m von Bratislava 1984 stehen 46 Hallen-Weltrekorde gegenüber, wobei der letzte vom 21. Februar dieses Jahres in Berlin mit 6,13 m sogar zwei Zentimeter besser ist als der im Freien.