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  • Fußball-EM: Schweden - Dänemark 1:0 / Für den Weltmeister ist nach oben und unten alles offen / Vogts bleibt optimistisch

Preisfrage: Wer macht heute die Whisky-Flaschen auf?

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EM-typisch: Mehr Gekrampte als Spiel. Hier bremst der Engländer Batty Frankreichs Angreifer Papin

Telefoto: AP/Cironneau -

Nur ein Tor am Sonntag! Die EM ist zu einer Institution der Tore-Verhinderer geworden. Gastgeber ^Schweden hat am späten Sonntagabend im Spiel um die skandinavische Fußball-Vorherrschaft Dänemark 1:0 bezwungen. Der blonde Brolin war nach einer der selten fließenden Kombinationen zur Stelle. Die Dänen kämpften zwar noch tapfer um den Ausgleich, hatten sogar auch ein paar gute Möglichkeiten. Was sie aber nicht mehr hatten, war die erforderliche Kraft. Laudrup, anfangs wie immer dribbelstark, tauchte ebenso unter wie Povlsen. Christensen wurde gar schon zur Pause vom Platz genommen. Schwedens Sieg war gerecht. Das Spiel hatte weit mehr Tempo und Anschauungswert als die Partie zuvor, die zwischen. Frankreich und England torlos endete. Schweden hat nun in der Gruppe 1 die besten Karten für den Einzug in das Halbfinale, das die jeweils beiden Staffelersten erreichen. Eine Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen. Noch kann sich jede Mannschaft ihre Möglichkeiten für den Verbleib im Wettbewerb ausrechnen.

Schwedens Trainer Tommy Svensson war mit dem Spiel, vor allem aber mit dem Sieg sehr zufrieden. „Es ist zwar noch nichts entschieden, aber ich glaube schon, daß wir das Halbfinale erreichen. Nun genügt uns gegen England ein Remis.“ Für die EM wäre es sicher ein Vorteil, wenn der Gastgeber um den Einzug in das Endspiel antreten könnte. Und dann sollte der Gegner auf den 22jährigen Tomas Brolin achten. Er bewies den größten Torinstinkt, auch wenn er zwei Minuten vor Abpfiff die klarste Chance versiebte und damit auch die Möglichkeit, sich an die Spitze der Torjägerliste zu setzen.

Charakter habe seine Mannschaft gezeigt, als sie sich nach dem Rückstand durch Dobrowolski (63. Minute, Foulelfmeter) aufbäumte, sagte Vogts, und deshalb „bin ich mehr als optimistisch“ Daran konnte auch die. Hiobsbotschaft vom Armbruch des Kapitäns und Torjägers Rudi Völler, der bereits am Montag in Frankfurt operiert wird und sechs Wochen pausieren muß, nichts ändern: „Aber es tut weh, Völler zu verlieren.“ Nach Lothar Matthäus fällt nun die zweite Führungskraft des Weltmeisters verletzt aus. Ein Feldherr, der das

Heft in die Hand zu nehmen imstande ist, wurde gegen die destruktiven GUS-Spieler schmerzlich vermißt. Und das nicht allein in der erbärmlich schwachen ersten Halbzeit, als die Deutschen Schlafwagen-Fußball boten, sondern auch im zweiten Durchgang, als das Anrennen gegen das gegnerische Abwehrbollwerk überwiegend plan-, ideen- und phantasielos erfolgte.

Vogts schreibt seinen Torjäger jedenfalls noch nicht ab: „Für Rudi gilt dasselbe wie für Lothar: Die Leistung entscheidet, nicht das Al-

ter. Ich bin sehr traurig, daß Rudi sich so schwer verletzt hat. Er war ein Symbol.“

Auch über seine Vereinskarriere muß Völler nachdenken. Ob das Angebot von Olympique Marseille aufrecht erhalten bleibt, steht noch nicht fest. Der neue Trainer von AS Rom, Vujadin Boskov, legte Völler jedenfalls verklausuliert nahe, den Verein zu verlassen. Anders kann folgender Satz von Boskov bei seiner Vorstellung in Rom zur Person Völler nicht interpretiert werden: „Wir waren alle mal große Spieler und haben irgendwann aufgehört.“

Schwieriger dürfte der Ausfall Völlers im nicht-fußballerischen Bereich zu kompensieren sein. Der Kapitän hat den Begriff „Leitwolf“ zwar immer abgelehnt, doch faktisch ist er es gewesen. Völler zur verkorksten ersten Halbzeit gegen die GUS. „Einige waren übernervös, übermotiviert, hatten Angst vor Fehlern. Ihnen ist erst hier bewußt geworden, was es heißt, eine Europameisterschaft zu spielen. Niemand hat Eigenverantwortung übernommen. Einige haben so ein großes Turnier unterschätzt.“

Andreas Brehme muß nun als Reserve-Kapitän in die Bresche springen. In seinem 70. Länderspiel stieg der Routinier zum Kopf des Teams auf. Der vermutlich künftige „Spanier 1 ' deutlich und klar: „Früher haben die Gegner Angst vor uns gehabt. Dahin müssen wir wieder kommen.“ Und an die Adresse seiner Kollegen: „In einem Endspiel darf man ein bißchen nervös sein. Aber nicht im ersten Spiel. Dafür habe ich kein Verständnis.“

In einem Spiel, daß mit seiner nicht vorhandenen Klasse streckenweise an die Provinzmeisterschaft von Östergotland erinnerte, hat die Mannschaft des GUS-Coaches Anatoli Byschowetz schwer am Lack des Favoriten gekratzt: „Wir haben die Deutschen erschüttert.“ Sein zuvor durchaus ansprechend agierendes Team allerdings wollte sich am Ende lediglich noch über die Zeit retten und begeisterte auch nicht. Auf Torejagd gingen die Stürmer nie so recht. Im Nachhinein wurde der nordirische Trainer Billy Bingham bestätigt. Der hatte nach dem mageren 1.1 im Testspiel von Bremen vor zwölf Tagen gesagt: „Wenn die Deutschen bei der EM auf einen ähnlich defensiv eingestellten Gegner treffen, bekommen sie Probleme.“ Die bekam die Vogts-Truppe gegen die GUS in der Tat reichlich.

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