nd-aktuell.de / 15.06.1992 / Sport / Seite 12

Fiedler schwang Zepter als ,König der Sprinter'

Die Olympischen Spiele in Barcelona mit ihren sieben Bahnradrennen können kommen: Deutschlands Spezialisten sind bereit zum Medaillenabräumen. Nach dem großen Erfolg, den der als Bundestrainer verpflichtete Wolfgang Oehme schon bei den Weltmeisterschaften 1991 in Stuttgart mit vier Weltmeistern in den sieben olympischen Disziplinen erzielte, darf man nach den deutschen Meisterschaften am Wochenende in München auf einen ähnlichen Triumph in Barcelona hoffen. „Wir können mit den Leistungen von München sehr zufrieden sein. Die Fahrer, die zumeist durch die frühzeitige Olympianominierung in München ohne Qualifikationszwang an den Start gingen, haben ihre hervorragende Form bestätigt“, urteilte Oehme.

Die Stars in München waren der Doppel-Weltmeister in der Verfolgung, Jens Lehmann (Leipzig), der im letzten Moment noch auf den Barcelona-Zug gesprungene „Kilometer-Mann“ Jens Glücklich (Cottbus), Sprinter-Weltmeister Jens Fiedler (Berlin) sowie die Verf olgungs-Weltmeisterin Petra Roßner (Köln-Worringen) und die hoffnungsvolle Sprint-Vize-Weltmeisterin Anett Neumann (Cottbus).

Jens Fiedler kann keiner das Wasser reichen: Der 22jährige Weltmeister aus Berlin wurde zum zweiten Male Meister im olympischen Sprintwettbewerb. Dem gewaltigen Spurt von Fiedler, der auch international im olympischen Jahr noch ungeschlagen ist, war in München auf der 285 m langen Holzbahn niemand gewachsen. Ernsthaft geprüft wurde er erst im Finale von seinem Berliner Klubkameraden Eyk Pokorny, der aber auch in diesem sechsten Endlauf des Jahres zwischen beiden wieder die schlechteren Karten hatte. In beiden Finalrennen setzte sich Fiedler gegen den Tandem-Weltmeister, der zuvor seinen Partner Emanuel Raasch bezwungen hatte, mit 10,85 s und 10,83 s durch.

Nach ihrem Finalsieg über Jutta Niehaus (Bocholt) hatte die aus Leipzig stammende 25jährige Petra Roßner in Unwissenheit über die Qualifikationsmodalitäten für Barcelona noch gemeint: „Die Freude über den Titelgewinn fällt mir schwer, denn ich habe nicht die Olympianorm geschafft. Ich könnte eine negative Entscheidung vom Bund Deutscher Radfahrer verstehen, denn auch in anderen Sportarten sind Athleten nicht berücksichtigt worden, weil sie die Norm

nicht geschafft haben.“ Roßner hatte in allen drei Rennen in München mit 3:51,69 min, 3:53,93 min und 3:54,43 min den verlangten Leistungsnachweis (3:49,80 min) nicht erbracht.

Chef-Bundestrainer Wolfgang Oehme löste die Verwirrung: „Die anderen würden sich doch ins Fäustchen lachen, wenn wir Petra als die letzte Verfolgungs-Weltmeisterin in Barcelona nicht starten lassen würden. Natürlich ist sie bei den Olympischen Spielen nicht nur auf der Straße, sondern auch bei den Bahnrennen am Start. Die Zeit in München war lediglich als Maßstab für eine Leistungsüberprüfung gedacht, nicht als offizielle Qualifikation.“

Männer: Sprint, Halbfinale: Fiedler (Berlin) - ,Buchtmann (Herford) 2:0 (11,35/11,24), Pokorny (Berlin) - Raasch (Berlin) 2:0 (11,21/11,00), Finale: Fiedler - Pokorny 2:0 (10,85/10,83), um Platz 3: Raasch - Buchtmann 2:0 (11,41/11,03), 5. Schink (Berlin), 6, Krieger (Berlin). 4000-m-Mannschaftsverfolgung: 1. Landesverband Berlin (Steinweg, Fulst, Norden, Bock) 4:18,62, 2. RG Stuttgart/Württemberg 4:19,34, 3. RG DHfK Leipzig/Chemnitzer SC (Lehmann, Werner, Kühnert, Schardt) 4:21,47. 1 000-m-Zeitfahren: 1. Glücklich (Cottbus) 1:04,31, 2. Lausberg (Frankfurt/Oder) 1:04,54, 3. Nagel (Oberhau-

sen/Baden) 1:06,09, 4. Schmidt (Chemnitz) 1:06,82, 5. Faißner (München) 1:06,99, 6. Schnarr (Berlin) 1:08,21. 4000-m-Einerverfolgung, Halbfinale: Lehmann (Leipzig) 4:33,43 - Fulst (Berlin) 4:36,95, Glöckner (Stuttgart) 4:32,13 - Steinweg (Berlin) 4:34,22, Finale: 1. Lehmann 4:29,53, 2. Glöckner 4:36,14, 3. Steinweg, 4. Fulst, 5. Walzer (Stuttgart), 6. Werner (Leipzig). Tandem, Finale: Raasch/Pokorny (Berlin) - Buchtmann/Nagel (Herford/Oberhausen) 2:0 (11,51/10,37), um Platz 3: Krieger/Schink (Berlin) - Budweg/Grüner (Langenhagen) 2:0 (10,95/10,68). Punktefahren: 1. Fulst (Berlin) 49 Punkte, 2. Werner (Leipzig) 28, 3. Glöckner (Stuttgart) 28/1 Rd. zur.

Frauen, 500-m-Zeitfahren: 1. 'Neumann (Cottbus) 36,54, 2. Freitag (Frankfurt/Oder) 37,72, 3. Heinemann 38,13, 4. Huchatz 38,19, 5. Wolke 38,48, 6. Ratsch (alle Cottbus) 38,91. Punktefahren: 1. Roßner (Kölri-Worringen) 29 Punkte, 2. Niehaus (Bocholt) 22, 3. Dörffeldt (Leipzig) 22,4. Hohlfeld (Erfurt) 14, 5. Ranger (Feuerbach) 10, 6. Hill (Frankfurt/Oder) 6. 3000-m-Einerverfolgung, Halbfinale: Niehaus (Bocholt) 3:58,32 - Hohlfeld (Erfurt) 4:00,32, Roßner (Köln-Worringen) 3:53,93 - Ranger (Feuerbach) 4:05,09, Finale: 1. Roßner 3:54,43,2. Niehaus 3:59,29, 3. Hohlfeld, 4. Ranger, 5. Hill (Frankfurt/Oder), 6. Dörffeldt (Leipzig). Sprint, Finale: Neumann -Heinemann 2:1 (12,34/11,43/12,85), um Platz 3: Wolke (alle Cottbus) -Freitag (Frankfurt/Oder) 2:0 (12,85/12,88). GÜNTHER W. EINFELDT, dpa